Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
auch verstehen. Und seien Sie bald zurück.«
Decker zog sein Jackett über und ging in Richtung Highschool.
11
North Valley war eine Niete.
Da war Central West schon eine andere Geschichte. Decker nahm die Polaroids heraus und legte sie vor dem Direktor auf den Schreibtisch. Der rundliche Schwarze zuckte angeekelt zusammen, aber in seinen Augen blitzte kein Funke des Wiedererkennens.
Ganz anders die Mädchenbeauftragte, Kathy Portafino. Ein Blick, und sie wurde grün im Gesicht. Sie war so alt und ebenso groß wie Marge – Anfang dreißig, ungefähr einsfünfundsiebzig und kräftig, mit eckigem Kinn und entschlossenem Gesichtsausdruck, der zu sagen schien: »Mich kann nichts mehr erschüttern.« Aber Leichenaufnahmen hatten etwas unvergleichlich Grässliches an sich. Die Verbindung von kalter Endgültigkeit und klinischer Sterilität ging selbst den abgebrühtesten an die Nieren.
»Wer ist sie«, fragte Decker.
Die Frau legte die Hand vor den Mund. »Ich glaube, es ist Cheryl Diggs.«
»Sie glauben es?«
»Nein, sie ist es. Sie sieht nur so … anders aus.« Sie rieb sich die Stirn und schluckte schwach. »Entschuldigen Sie, aber ich fühle mich nicht …«
»Gehen Sie«, sagte Decker.
Die Frau verließ fluchtartig den Raum. Decker wandte seine Aufmerksamkeit dem Direktor zu. Er starrte auf seine mit Papierstapeln gut bestückte Schreibtischplatte.
»Kennen Sie dieses Mädchen, Mr. Gordon?«
Der Direktor fuhr sich mit der Hand über das kurze, graumelierte Haar. »Jetzt, wo Kathy sie identifiziert hat, weiß ich, wer sie ist.« Er setzte sich auf seinen Stuhl. »Das ist einfach … einfach furchtbar.«
Decker nahm seinen Notizblock heraus. »Hat die Schule gestern Abschlussball gefeiert?«
Der Mann nickte, immer noch die Hand auf der Stirn. »Das scheint plötzlich Jahre zurückzuliegen.«
»Und Cheryl Diggs war dort?«
»Das nehme ich an.«
»Wissen Sie, mit wem sie hingegangen ist?«
»Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Erzählen Sie mir von Cheryl.«
»Da weiß Ms. Portafino sicher mehr zu sagen.«
»Was wissen Sie, Mr. Gordon?«
»Was ich weiß?« An seinem Zögern konnte Decker merken, dass das nicht viel war. »Cheryl trieb sich in schlechter Gesellschaft herum, wobei das bei uns nicht irgendwelche Jugendbanden sind, die sich gegenseitig niedermetzeln. Wir sind immer noch eine vorwiegend weiße Schule für Kinder aus der Mittelschicht und bisher ohne Banden. Aber Waffen gibt’s bei uns auch.« Er holte tief Luft. »Revolver und Messer. Es gibt Drogen und Schwangerschaften, Krankheiten und Selbstmorde, und wir haben Schüler, die an einer Überdosis sterben. Wir haben jedes stadtübliche Problem, das Sie sich vorstellen können, inklusive Gewaltverbrechen – Diebstahl, Raub, Vergewaltigung, Überfälle. Aber das hier?«
»Hatten Sie bisher nie einen Mord?«
»Einer in den fünf Jahren, seit ich hier bin. Zwei Jungen, die sich um einen Parkplatz gestritten haben. Der eine hat eine,32er gezogen und den anderen in den Kopf geschossen. Erinnern Sie sich nicht mehr?«
»Ich war vor fünf Jahren nicht in Devonshire«, sagte Decker.
»Ich dachte damals, wir hätten den Tiefpunkt erreicht.« Gordon seufzte. »Es dauerte ewig, bis sich die aufgeregten Gemüter beruhigt hatten, obwohl wir unsere Sicherheitsvorkehrungen verschärft haben. Weiß der Herr, was jetzt erst los sein wird.«
»Erzählen Sie mir von Cheryls Clique.«
»Cheryls Clique …« Er zögerte, bemühte sich, seine Gedanken in Worte zu fassen. In diesem Moment kam Kathy ins Zimmer zurück. Offenbar hatte sie sich Wasser ins Gesicht gespritzt. Jetzt war sie blass, aber nicht mehr grün. Gordon wandte sich an seine Verbündete: »Kathy, wer waren Cheryls Freunde?«
»Lisa Chapman, Trish Manning, Jo Benderhoff …«
»Und Jungs?«, unterbrach Decker.
»Mal der, mal der.« Kathy setzte sich. »Steven Anderson, Blake Adonetti, Tom Baylor, Christopher Whit …« Sie stoppte mitten im Wort. »Ich glaube, sie ist mit Chris Whitman zum Abschlussball gegangen. Zumindest habe ich sie zusammen dort gesehen. Ich erinnere mich daran, weil sie so ein schönes Paar waren.« Ms. Portafino tappte mit der Fußspitze. »Wissen Sie, ich glaube, irgendwas stimmte nicht. Cheryl sah verstört aus.«
Decker schrieb mit, während sie sprach. »Ist das aus der Rückschau betrachtet, oder ist irgendetwas Bestimmtes passiert, an das Sie sich erinnern?«
»Nichts eindeutig Benennbares. Sie sah nur … traurig aus. Und es fiel mir auf,
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