Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
voller Grazie zur Frau verwandelte. Ein offenes, ovales Gesicht, haselnussbraune, schokoladegesprenkelte Augen. Ihr cremefarbener Teint wurde nur von einigen Sommersprossen auf dem Nasenrücken und der natürlichen Rötung unterbrochen, die ihre hohen Wangenknochen erst richtig zur Geltung kommen ließ. Ihr mit einer Plastikspange zurückgenommenes Haar fiel dick und bronzefarben bis zur Taille. Sie trug ein überdimensioniertes T-Shirt mit langen Armen unter einer Brokatweste und schlabberige, verwaschene Jeans.
Als er ihr so ins Gesicht sah, hätte Decker eine Wette darauf abgeschlossen, dass sie es nicht einfach hatte, einen Freund zu finden, denn sie hatte etwas Unnahbares an sich. Ihre Augen waren zwar schön, aber sie wirkten auch wie ein Stopp-Schild mit der Aufschrift: Nicht anfassen … nicht mal an sehen. Diese Zurückhaltung in Kombination mit einer merklichen Verletzlichkeit musste für einen eingebildeten Teenager wie Whitman ein ungeheures Aphrodisiakum gewesen sein.
Decker behielt die Hände in den Taschen und sah sich im Wohnzimmer um. Klein und ordentlich mit der üblichen Ausstattung. Ein Dreisitzersofa mit zwei Sesseln und dazwischen ein Couchtisch. An den Wänden hingen einige unauffällige Blumenbilder, außerdem ein gerahmtes Poster von Monets Seerosen. Der weizengelbe Teppich hatte mehrere große, verblasste Flecke in Amöbenform.
»Ich habe mir gerade Kaffee gekocht.« Ihre Stimme klang leise und verhalten. »Möchten Sie auch eine Tasse?«
»Schwarzer Kaffee wäre großartig, vielen Dank.« Decker lächelte, und sie lächelte zaghaft zurück. »Wo soll ich mich setzen?«
»Vielleicht am Esszimmertisch?« Sie knetete die Hände ineinander. »Meine Stiefmutter mag es nicht, wenn man im Wohnzimmer Kaffee trinkt. Ist schon zu viel aus Versehen auf dem Teppich gelandet.«
»Das Esszimmer ist völlig in Ordnung, Teresa.«
»Terry, bitte.« Sie sah zum Tisch hinüber. Er war mit Schulbüchern und Heften übersät. »Ich räum das sofort weg.« Wieder ein kurzes Lächeln. Dann verschwand sie in der Küche. Sekunden später kam ein Kind von ungefähr sieben Jahren die Treppe heruntergepoltert. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie Decker sah.
»Ja, guten Tag«, sagte Decker. »Suchst du Terry?«
Das Mädchen nickte und steckte den Daumen in den Mund, um ihn sofort blitzschnell wieder herauszunehmen.
»Sie ist in der Küche. Du kannst zu ihr gehen, wenn du willst.«
Sie antwortete nicht. Einen Augenblick später kam Terry mit zwei Kaffeebechern in der Hand zurück. Sie sah das kleine Mädchen, ließ ein wirkliches Lächeln sehen und stellte die Kaffeetassen auf das Mathematikbuch. Als der Kaffee sicher auf dem Tisch stand, flitzte das kleine Mädchen zu Terry hinüber und schlang die Arme um ihre Taille.
»Es ist alles in Ordnung, Melissa«, erklärte Terry. »Er ist nur ein Polizist – ein Detective mit einem richtigen goldenen Abzeichen.«
Melissa machte große Augen. Sie murmelte etwas. Teresa beugte sich zu ihr hinunter, und das Mädchen legte die Arme um ihren Hals. Dann flüsterte sie der Älteren etwas ins Ohr.
»Wie bitte?«, sagte Terry. »Ich kann dich nicht verstehen.«
Melissa wisperte wieder.
Terry sagte laut: »Nein, er wird mich nicht verhaften. Aber du musst jetzt wieder nach oben gehen, weil ich mich mit ihm unterhalten muss, okay?«
Melissa machte ein verletztes Gesicht.
Terry richtete sich auf und sah Decker an. »Ich mache ihr um diese Zeit normalerweise eine Kleinigkeit zu essen. Ich wollte gerade damit anfangen, als Sie kamen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, zu warten, bis ich ihr etwas hergerichtet habe?«
»Überhaupt nicht«, sagte Decker. »Ich zeige ihr sogar meine Marke.«
Aber Melissa war nicht interessiert. Sie hängte sich an Terry und hielt sich an ihrem T-Shirt-Saum fest, als das junge Mädchen sie widerwillig in die Küche zog. Decker hörte beruhigende Laute, verstand aber keine Worte. Eine Minute später kamen sie zurück, Terry hielt einen Teller mit Obstscheiben und Chips in der Hand.
»Ich will hier unten essen«, sagte Melissa.
»Ich weiß, Liebling, aber das geht nicht«, erwiderte Terry.
»Ich bin ganz lieb. Ganz leise.«
»Du brauchst nicht leise zu sein, um lieb zu sein, kleines Fräulein. Du bist lieb, weil du lieb bist.« Terry beugte sich wieder hinunter. »Ich muss allein mit dem Polizisten reden. Du wartest oben auf mich. Es wird hoffentlich nicht allzu lange dauern.«
Das Mädchen rührte sich nicht.
»Komm schon.« Terry
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