Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Entlohnung der Biker für den Mord an Azor«, überlegte Decker. »Logisch, aber nicht zu beweisen.«
»Alles braucht seine Zeit.«
»Warum sollte sich Waterson in so was hineinziehen lassen?«, fuhr Decker fort. »Hat er Schulden?«
»Keine Ahnung. Ich überprüf das mal. Mal sehen, ob fette Schecks über sein Konto gelaufen sind,.«
Deckers Telefon klingelte. Er griff nach dem Hörer, hörte kurz zu und schloss die Augen. Er fluchte unterdrückt. Dann sah er Gaynor kopfschüttelnd an.
»Wen hat’s erwischt?«, fragte der ältere Polizist.
»Decameron.«
Es war ein allein stehendes, modernes Haus, eingebettet in die Santa Susana Mountains mit dem Blick auf das Tal. Decamerons Wohnung lag an einem von purpurroten Eiskraut überwucherten Hang, halb verdeckt hinter riesigen Bananenstauden und grünen Palmen. Das Gebäude selbst war ein fast fensterloser Flachbau aus Stein, über das sich blühende Bougainvillea rankte. Statt Fenstern waren gut ein Dutzend mit Glas verkleidete Schlitze im Mauerwerk belassen worden, die sich nach innen keilförmig öffneten, so an die Schießscharten alter Burgen erinnerten und erstaunlich viel Licht einließen.
Die Räume hatten hohe Decken und Schieferböden. Deckers Schritte hallten unnatürlich laut wider, während er durch das Haus ging. Offene Räume und sparsame Möblierung. Alles war ordentlich, bis auf den Tatort.
Hier sah es aus, als sei jemand mit einem Baseballschläger Amok gelaufen. Sämtliche Fenster waren eingeschlagen, der Boden mit Scherben übersät. Es war praktisch unmöglich, Beweismittel sicherzustellen, ohne sich zu verletzen. Decameron lag ausgestreckt auf seiner tomatenroten Ledercouch.
’ Mund und Augen geöffnet. Über seiner Kehle klaffte ein zweiter, tiefroter Mund, aus dem Blut über seinen ganzen Körper geströmt war. Er hatte Einschusslöcher in Brust und Stirn; sein grauer Anzug, die rote Krawatte mit Paisleymuster und das weiße Hemd waren blutgetränkt. Den Blick hatte er starr zu den Deckenlichtern erhoben, die Füße baumelten über die Polsterlehne.
Unter seinen Fußsohlen lag ein weiterer Toter. Ein blonder Mann in einem konservativen blauen Anzug. Auch ihm hatte man die Kehle durchgeschnitten und in Brust und Stirn geschossen.
Uniformierte Polizeibeamte schwirrten wie fleißige Bienen umher. Der Anruf sei ungefähr vor zwanzig Minuten eingegangen, erzählte man Decker. Eine Krankenschwester hatte Decameron als vermisst gemeldet. Die Klinik hatte den ganzen Vormittag vergeblich versucht, den Arzt ans Telefon zu bekommen.
Decker hörte seinen Namen und drehte sich um. Marge kam auf ihn zu. Oliver war ihr dicht auf den Fersen. Beide machten ernste Gesichter.
Olivers Blick erfasste die Szene. »So ein Mist«, flüsterte er. »Dabei wurde mir der Kerl gerade zunehmend sympathischer.«
»Wir haben auf ihn gewartet, Pete«, begann Marge. »Er ist nicht aufgekreuzt.«
»Von wem redest du?«
»Von Decameron«, antwortete Oliver. »Er wollte sich mit uns zu einem späten Mittagessen treffen. Um zwei. Wer nicht aufgetaucht ist, war Decameron. Jetzt weiß ich, warum.«
»Er wollte uns die letzten Curedon-Testberichte von Fisher/Tyne geben.«
»Großer Gott! Natürlich!«, entfuhr es Decker. »Hat einer von euch in der Klinik angerufen, als er nicht gekommen ist?«
»Klar doch, Chef«, antwortete Oliver. »Sie haben versucht, ihn über seinen Pieper zu erreichen. Erfolglos. Eine Adresse wollten sie nicht rausrücken. Waren ziemlich zugeknöpft. Ich hab das auf verschärfte Sicherheitsmaßnahmen geschoben.«
»Wann hast du in der Klinik angerufen?«
»Ungefähr vor einer Dreiviertelstunde.« Oliver schüttelte den Kopf. »Wer ist die zweite Leiche?«
»Keine Ahnung«, seufzte Decker. »Bin gerade erst gekommen. Ruf im Büro des amtlichen Leichenbeschauers an. Und schaff die Uniformierten hier raus, damit wir uns an die Arbeit machen können.«
»Darf ich mal kurz die Taschen von unserem Unbekannten durchsuchen? Mit Handschuhen natürlich«, sagte Oliver.
»Tu dir keinen Zwang an«, erwiderte Decker. »Und zieh dir lieber zwei Paar Handschuhe übereinander an. Hier ist alles voller Scherben. Sei vorsichtig.«
Glas knirschte unter Olivers Schuhsohlen, als er zu dem blonden Toten hinüberging. Er entfernte vorsichtig eine dicke Schicht messerscharfer Glassplitter und griff dem Toten in die Jacketttasche.
»Verdammt!« Oliver zog die Hand zurück. Eine dünne Blutspur tröpfelte aus dem Latexhandschuh. Er ließ die Hand sofort in
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