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Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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bei anderen Kliniken oder Institutionen bewerben würden, wie glauben Sie, würden die Reaktionen ausfallen?«
    »Nachdem ich fünfundzwanzig Jahre lang mit Azor gearbeitet habe, kann ich mir mein Empfehlungsschreiben selbst ausstellen.«
    »Ihre Vergangenheit verfolgt Sie längst nicht mehr?«
    »Vielleicht, wenn die Stellung eine sehr hohe, exponierte wäre – zum Beispiel Direktor der Nationalen Gesundheitsbehörde oder Rektor der medizinischen Fakultät in Harvard würde herauskommen, dass ich mein Examen zweimal gemacht habe. Aber ich bezweifle stark, dass der Grund dafür publik werden würde. Es sei denn, jemand wäre entschlossen, diese Geschichte auszugraben, um mich zu ruinieren.«
    »Wer könnte das sein?«
    »Niemand!«, raunzte Berger ihn an. »Selbst Reggie Decameron ist mir nicht so spinnefeind. Es käme nur heraus, wenn jemand eine gründliche Untersuchung einleiten würde.« Er sah Decker bedeutungsvoll an. »Die Polizei zum Beispiel.«
    Decker verzog keine Miene, überlegte, weshalb der Arzt freimütig ausgepackt hatte, wo doch seine Vergangenheit angeblich für niemanden zugänglich war. Vielleicht hatte Berger den Betrug zugegeben, um Schlimmeres zu vertuschen. »Hat wenig Sinn, jetzt Ihre Vergangenheit ans Licht zu zerren«, sagte Decker laut.
    »Deshalb habe ich Ihnen das erzählt. Es ist besser, die Sache im Keim zu ersticken, sozusagen.«
    »Dann wissen also nur wenige von Ihrem Fehltritt?«
    »Die Generation, die davon wusste, ist im Aussterben begriffen.«
    »Eine theoretische Frage noch. Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Ihr Vergehen plötzlich bekannt werden würde?«
    Bergers Augen wurden hart. »Die Frage kann ich nicht beantworten, weil es nicht passieren wird. Der Einzige meiner gegenwärtigen Kollegen, der davon gewusst hat, war Azor. Und der hat immer eisern geschwiegen.«
    »Soweit Sie wissen.«
    »Ich weiß es.« Berger warf einen Blick auf die Wanduhr und stand auf. »Ich muss mich jetzt wirklich um meine Patienten kümmern. In dieser Klinik liegen sehr kranke Menschen, die gerade ihren Arzt verloren haben, eine Person, die sie als ihren Lebensretter betrachtet haben. Sie sind verzweifelt. Ich muss mich um sie kümmern. Sie brauchen Trost. Also bitte?«
    »Natürlich.« Decker stand auf. »Ein andermal können wir uns vielleicht über Curedon unterhalten.«
    »Gern, nur im Augenblick …« Er klopfte auf seine Uhr. »Im Augenblick bin ich sehr beansprucht.«
    »Danke für Ihre Geduld, Dr. Berger.«
    »Kann nicht behaupten, dass es mich gefreut hat. Aber ich war ehrlich mit Ihnen. Ich sollte das nicht sagen müssen, aber ich sag’s trotzdem. Ich erwarte absolute Vertraulichkeit, was mein dreißig Jahre altes Geheimnis betrifft. Es geht niemanden etwas an.«
    Decker nickte. Sein Geheimnis ging niemanden etwas an.
    Es sei denn, es wäre das Motiv für einen Mord gewesen.

12
    Oliver umfasste das Lenkrad des Zivilfahrzeugs fester. »Wenn ich jetzt noch ein Einkaufszentrum sehe, muss ich kotzen.«
    Marge trank Kaffee aus einer Thermosflasche und starrte aus dem Fenster auf den sich endlos dahinziehenden Freeway. Das Asphaltband teilte eine Hügellandschaft, deren Hänge mit Fingergras, orangerotem kalifornischem Mohn, wildem Fenchel und hohen purpurroten Grasnelken überzogen waren. »Ist nicht viel, was man hier anfangen kann. Außer Einkaufen, essen, schlafen, meine ich. Vielleicht mal zur Zerstreuung eine Affäre nebenher …«
    »Letzteres stünde bei mir ganz oben auf der Hitliste, speziell wenn ich weiblichen Geschlechts wäre. Kostet nichts und verbrennt Kalorien.«
    Marge sah ihn an und richtete den Blick wieder durch die Windschutzscheibe. Oliver trommelte mit den Fingerkuppen aufs Lenkrad. »Wie heißt der Kontaktmann noch mal?«
    »Gordon Shockley.«
    »Dr. Shockley, richtig?«
    »Richtig.«
    Schweigen. Nur das Staccato der Funksprüche zwischen den Beamten der Zentrale und den Streifenpolizisten war zu hören. Oliver begann zu pfeifen, unmelodiös und falsch. Marge wollte etwas sagen, überlegte es sich dann anders. Das Pfeifen war ärgerlich, aber die Stille störte fast noch mehr.
    Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt war Marge kurz davor auszurasten. Scott ging es vermutlich nicht viel besser. Die ersten zwanzig Minuten hatten sie passabel hinter sich gebracht, über berufliche Dinge geredet, ein wenig getratscht. Mittlerweile waren ihnen die Smalltalk-Themen ausgegangen. Quälende, an den Nerven zerrende Stille machte sich breit. Keiner von beiden wagte es, die

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