Decker & Lazarus 09 - Totengebet
verbergen.
Berger sah erneut auf die Uhr. »Meine Visite …«
»Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie bei Sparks angefangen haben?«
»Was, bitte schön, geht Sie das an?«
»Dr. Berger, ich kann mir Ihre Personalakte ansehen und sofort …«
»Dann tun Sie’s doch.«
»Sie machen es mir nicht gerade leicht.«
»Ich habe den Mann nicht umgebracht, basta und Ende.«
Decker strich sich den Schnurrbart glatt und versuchte eine Methode zu finden, sich den Mann gefügiger zu machen. »Haben Sie eine so genannte Vergangenheit, Dr. Berger?«
Berger schien sich für einen weiteren Angriff gewappnet zu haben. Jetzt fiel er abrupt in sich zusammen. Peinliches Schweigen lastete schwer zwischen ihnen.
»Warum verschwinden Sie nicht einfach?«, flüsterte Berger.
»Ich bin bereit, wann immer Sie es sind«, sagte Decker milde.
Berger starrte zur Decke und sagte nichts.
»Heraus kommt es sowieso. Es wäre mir nur lieber, ich könnte es von Ihnen persönlich erfahren.«
Berger knetete die Hände. Dann begann er zögerlich: »Mein Vater war ein guter Mensch. Hat hart gearbeitet, war sehr stolz auf mich.«
»Da bin ich sicher.«
»Ein guter Mensch«, wiederholte Berger. »Aber ein Spieler. Mit einundfünfzig ist er von einer Minute zur anderen einem Herzinfarkt erlegen, hat meine Mutter ohne einen Pfennig und völlig hilflos zurückgelassen. Ich bin damals Assistenzarzt gewesen, weit weg von zu Hause. Als mich die Nachricht erreichte, bin ich natürlich sofort zu meiner Mutter gefahren, habe alles geregelt, womit sie nicht fertig geworden ist. Habe die Verhältnisse in Ordnung gebracht.«
»Eine schwere Bürde«, bemerkte Decker.
»Mein Vater hatte hohe Schulden hinterlassen. Aber wir haben das geregelt. Ich bin lange genug geblieben, um das Leben meiner Mutter auf eine neue Basis zu stellen. Dann habe ich mein Zuhause erneut verlassen, um meine Berufsausbildung … mein Leben weiterzuführen. Ich kam gerade rechtzeitig zum Facharztexamen zurück. Ich muss wohl kaum betonen, dass ich ein Wrack war. Erschöpft und perspektivlos. Wie benommen vor Trauer und von Sorgen gedrückt. Ich hatte keine Minute Zeit gehabt, mich auf die Prüfung vorzubereiten. Man hat mich beim Schummeln erwischt.«
Niemand sagte ein Wort.
»Diesen Makel haben Sie offenbar überwunden«, bemerkte Decker schließlich.
»Nach Bitten und Betteln hat man mir einen zweiten Versuch zugebilligt. Und ich habe das Examen letztendlich bestanden. Aber kein Krankenhaus wollte mich einstellen. Niemand hat mir offen gesagt, dass mein Betrug der Grund war, weshalb sie mir die chirurgische Praxis verweigert haben. Aber nach über fünfzig Absagen habe selbst ich die Zeichen an der Wand erkannt. Wenn man Chirurg ist, Lieutenant, braucht man Krankenhäuser, um arbeiten zu können.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Ich habe eine Weile als praktischer Arzt gearbeitet. In Lebanon, Indiana. Und ich hatte Erfolg.«
»Aber Sie waren frustriert.«
»Frustriert ist gar kein Ausdruck, Sir. Es ging mir miserabel. In meinen Augen war ich nicht nur ein Versager, sondern auch noch ein Versager, an dem der Makel des Betrügers klebte.«
»Und da taucht Ihr alter Freund Azor Sparks auf, ein international renommierter Mann, der es auf einen Versuch ankommen lassen wollte.«
»Und von da an lebten alle zufrieden und glücklich.«
Wieder schwiegen sie beide.
»Sie müssen ihm sehr dankbar gewesen sein«, bemerkte Decker schließlich.
»Ich lag ihm weinend zu Füßen vor Dankbarkeit.« Berger blies in die Hände und rieb sie aneinander. »Zunächst arbeitete ich als sein Assistent. Wie jeder andere Assistenzarzt. Ich war völlig aus der Übung.«
Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit drückte Sparks mir das Skalpell in die Hand. Ein Routine-Bypass, bei dem plötzlich Komplikationen auftraten. Ich habe geschwitzt wie ein Schwein. Habe ständig darauf gewartet, dass Azor eingreifen würde. Aber er tat es nicht. Er hat mich beobachtet, aber nichts gesagt, Fazit? Ich hab’s mit Bravour bestanden.«
»Gratuliere.«
Berger lächelte. »Danke. Und das war’s. Seither haben wir zusammengearbeitet. Als Kollegen, Seite an Seite. Aber ich habe seine Position immer akzeptiert. Und ich wusste, wo ich stehe. Gelegentlich hat mir mein verletzter Stolz zu schaffen gemacht, das ist richtig. Aber besser ein verletzter Stolz als gar keiner.«
Decker schrieb hastig mit: »Eines möchte ich wissen, Dr. Berger. Wenn Sie sich jetzt
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