Decker & Lazarus 09 - Totengebet
reden.«
»Schieß los!«
»Rina, zweifellos musst du gegenüber deinem Mann loyal sein. Genau wie ich gegenüber meiner Familie. Wenn es also hart auf hart geht, stehe ich auf der Seite meiner Leute, egal was passiert. Dein Mann stellt mir vielleicht Fragen, die ich nicht beantworten werde. Vermutlich ärgert ihn das. Er fühlt sich vielleicht frustriert. Und dann wendet er sich möglicherweise, nur möglicherweise, an dich, um sehr persönliche Informationen von dir über mich zu bekommen.«
»Ich glaube nicht, dass Peter das je tun würde.«
»In diesem Fall mache ich mir umsonst Gedanken. Ich spreche das nur an, weil ich nicht möchte, dass du plötzlich zwischen zwei Stühlen sitzt. Falls es doch dazu kommen sollte, sag ihm, was du glaubst, sagen zu müssen. Ich will keinen Konflikt zwischen dir und ihm heraufbeschwören. Unter keinen Umständen.«
»Dazu kommt es nicht.«
»Gut.«
»Geteilte Loyalität«, flüsterte sie. »Das hat schon fast System.«
Bram zog die Augenbraue hoch. »Das hast du gesagt, Rina. Nicht ich.«
14
Erstickende Hitze in einem Haus voller Menschen, und dennoch waren die Männer weiterhin zugeknöpft in Jackett und Kragen. Decker wischte sich über die Stirn, schloss für seine Person einen Kompromiss. Er behielt das Jackett an, lockerte jedoch die Krawatte und öffnete den obersten Knopf seines weißen Hemds. Er war für seine Körpergröße dankbar, die es ihm ermöglichte, vom Portal des Sparks’schen Hauses das Meer von Menschen zu überblicken. Doch selbst von seinem günstigen Aussichtspunkt aus vermochte er nicht alle Geschwister unter den Gästen im Auge zu behalten. Sie waren ständig in Bewegung, wie kleine rote Ameisen. Besonders die Zwillinge in ihren identischen schwarzen Anzügen und Brillen, waren schwer zu unterscheiden. Sicher, das Haar des Priesters war länger, und er trug den Priesterkragen. Aber wenn die beiden nicht nebeneinander standen, ließ sich selbst Decker verwirren.
Die Witwe, Dolores, von ihren Freunden Dolly genannt, hielt im Wohnzimmer Hof. Im Augenblick war sie umringt von Wohlmeinenden, die ihr Trost spendeten, die Hand tätschelten, die Schulter streichelten und die Tränen von den Wangen wischten. Es wäre ungehörig gewesen, sie jetzt in ihrer Trauer zu stören. Decker schob es daher erneut hinaus, sie mit Fragen zu belästigen. Aber irgendwann musste er es tun.
Immerhin war ihr Mann hinter einem schicken In-Restaurant ermordet worden.
Was bedeuten konnte, dass er eine Geliebte gehabt hatte.
Oder dass ein eifersüchtiger Ehemann oder Freund im Spiel war.
Oder, so er diese Spekulation wagte, eine eifersüchtige Ehefrau.
Denn noch immer fehlte Decker ein Motiv.
Einige der Gäste aßen, stopften sich kleine Happen in die Münder oder tranken eine unnatürlich rote Flüssigkeit aus Plastikbechern. Offenbar war irgendwo ein Buffet aufgebaut. Decker hielt die Luft an und stürzte sich in die wogende Menschenmenge. Später sollte er zumindest der Witwe sein Beileid ausdrücken. Aber zuerst musste er sich umsehen.
Im Wohnzimmer drängten sich die meisten Leute. Unmittelbar zu seiner Linken befand sich ein riesiges Speisezimmer, dessen Fenster auf den Rasen vor dem Haus hinausführten. Auch dieser Raum war voller Menschen. Ein gigantisches Blumenarrangement stand in der Mitte des langen Tischs. Darum herum waren Platten mit verschiedenen Keksen und kleinen Kuchen, Blätterteigteilchen, Muffins, glasierten Petitfours und Schalen mit Pralinen arrangiert. Auf dem Buffet stand ein Kaffeespender mit Sahne und Zucker und vorgewärmten Tassen. Auf einer Anrichte thronte ein Bowlegefäß mit gekühlten Gläsern. Stellte man die Szene in einen anderen Zusammenhang und fügte ein wenig Musik hinzu, wäre es eine swingende Party gewesen.
Decker drängte sich aus dem Speisezimmer und zurück in den Hauptstrom der Menschen. Er war jetzt so weit, sich Dolly Sparks vorzustellen. Dann entdeckte er an der Seite des Speisesaals eine Schwingtür. Decker stieß sie auf und fand sich am Anfang eines langen, leeren Korridors. Da niemand da war, der ihm das Betreten hätte verbieten können …
Mit einem flüchtigen Blick zurück über die Schulter wagte er sich auf unbekanntes Terrain. Er öffnete ein paar Türen. Ein Badezimmer, ein Büro mit einem Computer, die Pantry eines Butlers. Und am Ende erwartete ihn eine weitere zweiteilige Schwingtür.
Was soll’s, dachte er. Jetzt, nachdem er sich schon so weit vorgewagt hatte …
Decker drückte die Tür mit
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