Decker & Lazarus 09 - Totengebet
lächelte. »Die Bibelstelle kenne ich gar nicht.«
»Kannst du auch nicht. Römer 5, Vers 19. Verweist auf die Tilgung der menschlichen Schuld nach der Erbsünde durch Jesus Gnade. Vielleicht glaubte Dad, eine Art Mission diesen Leuten gegenüber zu haben. Jedenfalls hing er sehr an diesem Club.«
Bram dachte nach.
»Vielleicht war der Grund auch viel schlichter. Möglicherweise haben sie ihm das Gefühl gegeben, jung und ungebunden zu sein, Worte, die normalerweise nicht im Vokabular meines Vaters vorkamen. Sie hatten ihn auf das Schild einer Kampagne für den Umweltfrieden gehoben. In meinen Augen war das nur eine Masche. Für Dad war es seine Version von ›Rettet die Wale‹. Wie geht es den Jungen, Rina?«
»Bestens.«
»Sie kommen gut mit … ihm … aus?«
»Er heißt Peter, Bram.«
»Ich nenne ihn lieber den Lieutenant.«
Rina lächelte und wandte den Kopf ab. »Sie waren noch sehr klein, als Yitzchak starb, besonders Jacob. Peter ist der einzige Vater, den sie je gekannt haben. Er liebt sie beide über alles. Und sie lieben ihn.«
»Gut zu hören.«
»Abram, ein Mensch kann nicht so einfach von einem anderen ersetzt werden.«
»Aber das Leben geht weiter.«
»Ja, das tut es.«
Bram wartete einen Herzschlag lang. »Ich freue mich wirklich für dich, Rina«, sagte er schließlich. »Ehrlich. Es hat eine Weile gedauert, bis ich so weit war. Aber ich habe es trotzdem geschafft.«
»Danke. Ich … bist du glücklich, Abram?«
»Ja, bin ich. Ich meine, nicht in diesem Augenblick. Aber ich habe das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.«
»Wunderbar.« Rina rang die Hände. Sanft legte der Priester eine Hand über ihre verschlungenen Finger.
»Was hast du auf dem Herzen, Rina?«
Ihre Hände entspannten sich. »Nichts.«
Bram zog seine Hand zurück und wartete.
»Was hast du gemeint, als du gesagt hast, es könnte zu Konflikten kommen? Konflikten zwischen dir und Peter?«
»Das ist möglich.«
»Was für Konflikte?«
Der Priester seufzte.
»Ach, vergiss es!«, sagte Rina.
»Nein, ich will dir antworten.« Er hielt kurz inne. »Du weißt, wir haben einander sehr intime Dinge erzählt. Nicht innerhalb des Beichtgeheimnisses, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Hast du überlegt, was du tust, wenn er anfängt, dich über mich auszufragen?«
»Warum sollte er mich ausfragen? Unsere Vergangenheit hat nichts mit diesem Fall zu tun.«
»Was ist, wenn er genau das annimmt?«
Schweigen. Der Wagen hielt an, als sie das Kirchengelände erreicht hatten. Rina sah aus dem Fenster. Alles war schwarz vor Menschen.
»Mist, jetzt stecke ich in einer Sackgasse.« Bram riss das Steuer nach links, machte eine scharfe Rechtskurve und fuhr auf der Grasnarbe weiter. Ein Wachmann zwang ihn anzuhalten. Dann erkannte er den Mann hinter dem Steuer.
»Pater Sparks, mein herzliches Beileid.« Er senkte den Blick. »Wir haben alle viel verloren.«
»Danke für Ihr Mitgefühl, Ralph.«
»Sind Sie denn nicht mit den anderen in der Limousine gekommen?«
»Nein, wie Sie sehen. Ich hatte noch einiges zu erledigen. Wo kann ich den Wagen abstellen?«
»Fahren Sie geradeaus über den Rasen.« Ralph deutete in eine Richtung. »Immer an der Absperrung entlang. Ich sage Tim über Funk Bescheid, dass Sie kommen.«
»Danke.« Bram legte den zweiten Gang ein. Die Reifen drehten auf dem weichen Boden durch. Er versuchte es noch einmal im ersten Gang. Der Toyota schoss vorwärts.
»Wird wieder ein langer Tag werden.« Seine Augen wurden feucht. »Diese Massen von Menschen. Ein Albtraum! Es zerreißt mir das Herz …«
»Du überstehst das«, machte Rina ihm Mut. »Jetzt ist alles noch im Fluss, die Zeit endlos, aber der Tag geht zu Ende. Das kann ich dir sagen. Du überlebst es.«
»Du musst es wissen.«
»Kann man wohl sagen.« Aber Rina war nicht so sicher, wie sie zu klingen hoffte. Sie versuchte, ihren nervösen Magen zu beruhigen. Als sie die schwarzen Limousinen sah, die schwarz gekleideten Menschen … Zahllose Erinnerungen wurden wach.
»Rina, was ich vorhin gesagt habe …«
»Er fragt mich nicht aus, Bram. Das ist nicht seine Art.«
»Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt, Rina. Es sollte keine Anspielung sein.«
Rina legte die Hände vors Gesicht. »Das hat auch nicht so geklungen. Das ist nur mein … Dickschädel. Entschuldige.«
»Rina, lass uns das klarstellen, ja? Ich weiß nämlich nicht, wann wir … ob wir je wieder Gelegenheit haben, allein miteinander zu
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