Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Estelle?« Webster war konsterniert. »Wo sind die Beweise dafür?«
»Die Pistole von Lily Amos wurde zwei Wochen vor dem Mord im Estelle als gestohlen gemeldet« sagte Decker. »Wir haben mehr Geschosse gesichert, als man mit einer Waffe feuern kann. Und die Waffe, die wir Carey abgenommen haben, ist eine Halbautomatic.«
Martinez war nicht zufrieden. »Trotzdem frag ich mich, warum diese Frau ihre Eltern umgebracht haben soll. Angeblich kam sie doch gut mit ihnen zurecht, oder?«
»Wir wußten von Anfang an, daß sie von Daddys Wohlwollen abhing«, sagte Decker. »David Garrison meinte, daß der Vater ihre Launen satt hatte. Vielleicht fürchtete sie, er würde ihr irgendwann den Geldhahn zudrehen. Oder er hatte es bereits getan.«
39
»Selbst wenn man die Zulässigkeit des Lügendetektors als Beweismittel außer acht läßt …« Elaine Reuter zauste sich die Locken, entblößte ihr vorstehendes Gebiß. Sie hatte ein langes, knochiges Gesicht und weit auseinanderstehende Augen. Heute trug sie eine Bluse mit Zebrastreifen unter dem Kostüm, das ihr pferdeartiges Naturell kräftig unterstrich. »Um ehrlich zu sein: Ich würde die Ergebnisse nicht vor Gericht verwenden. Zu ungenau.«
»Das gilt für beide?« fragte Decker.
»Bei beiden kommt es zu oft zu untypischen Reaktionen. Lügen – oder vielleicht nur Nervosität.«
»Wie viele Fragen haben Sie jeweils gestellt?«
»Einschlägige Fragen? Sechs. Und das sind mehr als gewöhnlich. Wenn ich einem von beiden Glauben schenken müßte, wäre das Sean Amos. Wenn man mit ihm spricht, kommt man vielleicht an ihn heran. Möglich, daß er lügt, aber es kann auch sein, daß er nur sehr durcheinander ist. Carey dagegen ist eine harte Nuß. Ich glaube, er hat das Gerät ausgetrickst.«
Decker nickte.
»Und Sie haben schon einen Deal mit ihm gemacht.«
»Ja. Ich hab auf Carey als Zeugen gesetzt. Aber das spielt keine Rolle. Weil wir die Mordanklage gegen ihn sowieso fallen lassen.«
»Sie haben ihn wegen Drogen, stimmt’s?«
»Genau.«
»Das bringt ihm etliche Jahre Gefängnis.« Sie lächelte matt. »Da wird er erst zum richtigen Gewalttäter.«
»Wahrscheinlich.«
Elaine seufzte. »Schade. Es tut weh, wenn wieder ein großer Fisch durch die Maschen schlüpft.«
»Den großen Fisch haben wir noch nicht mal im Netz«, sagte Decker und zuckte die Schultern. »Eine Schande. Aber das Leben geht weiter.«
Die Herbstkühle kribbelte Decker in der Nase, als er aus dem Wagen stieg. Die Luft roch gut – frisch, kühl, ein bißchen modrig vom Herbstlaub. Er war todmüde – nach zwei Nächten fast ohne Schlaf-, aber trotzdem guter Dinge. Er schnupperte noch einmal, schaute auf die Uhr. Er hatte es geschafft, vor sechs zu Hause zu sein.
Drinnen umfing ihn anheimelnde Wärme und der Duft des fertigen Essens. Der Tisch war schon gedeckt, auch für ihn. Er lächelte. Ging in die Küche, um Rina zu begrüßen. Statt ihrer saßen da seine Tochter, seine beiden Söhne und Joachim Rush und spielten Scrabble am Küchentisch. Rush hatte ein Mädchen mitgebracht, das wie vierzehn aussah, klein und zierlich, blond mit braunen Augen, keine Spur von Schminke. Sie war die erste, die ihn mit einem Lächeln beehrte. Decker lächelte zurück.
Cindy stand auf, nahm Haltung an und nickte ihm dienstmäßig zu. »Hallo, Sir.«
»Hallo, Officer Cohen«, erwiderte er.
Sam blickte auf. »Brauchst du was, Dad?«
»Nein, danke. Wo ist eure Mutter?«
»Draußen im Stall, zusammen mit Hannah.«
Die Pferde. Ihn packte das Schuldgefühl. Wann hatte er sich das letzte Mal um sie gekümmert, sie auch nur gefüttert? Sollte er hinübergehen? Nicht sofort. »Ich dachte, Scrabble kann man höchstens zu viert spielen«, sagte er.
»Ich kibitze nur«, antwortete das Mädchen. Sie stellte sich als Allison Berg vor.
»Setzen Sie sich doch zu uns, Sir«, sagte Joachim.
Decker warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Du solltest lieber nicht hierher kommen, Joachim.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht.«
»Ich hab ihn eingeladen«, sagte Cindy. »Ihm war ein bißchen mulmig nach der Razzia, deshalb sind wir zusammen rumgefahren und dann hier gelandet. Gibt es ein Problem?«
»Nein, das nicht.«
»Lief alles wie geplant?« fragte Joachim. »Ich meine die Razzia. In der Schule gab’s heute kein anderes Thema. Es heißt, die Polizei hat gewaltig Beute gemacht. Und Carey wird alt und grau, bevor er wieder aus dem Knast rauskommt. Stimmt das?«
»Dein Tip war goldrichtig«, sagte Decker. »Und
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