Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
fertig bin?«
»Richtig. Ich werde langsam senil.« Decker blickte hoch zur Uhr. »Nein, du kümmerst dich um die Vergewaltigung, dann hilfst du Scotty bei Ashman/Reynard. Ich hab mittags noch eine Stunde Zeit. Ich spreche mit Jeanine.«
11
Das Haus war enttäuschend klein. Martinez hatte keinen Palast erwartet, aber ein Cowboyheld vom Format eines Kirk Brown hätte sich doch wenigstens einen Hauch Wildwest leisten können – ein Ranchhaus etwa, inmitten einer Einöde voller Steppenläufer und Kakteen, eventuell noch ein paar Pferdeställe. Statt dessen hatte Walter Skinner seinen Lebensabend in einem Bungalow inmitten einer Siedlung unten im Tal verbracht. Ein schlichtes Haus, umgeben von einem erst kürzlich gedüngten Stück Rasen. Der letzte Rest Cowboyromantik, den Martinez sich bewahrt hatte, wurde vom Dunggeruch abgetötet.
Die Dienstmarke in der Hand, ging er über den rot gestrichenen Betonweg zur Veranda hinauf, klopfte an die Tür, und als sich nichts tat, klopfte er erneut. Diesmal hörte er eine Frauenstimme, die alt klang, aber nicht schwach. Wenig später öffnete sich die Tür gerade weit genug, daß Martinez seine Marke zeigen konnte. Dann ging die Tür ganz auf.
Die Frau war unter einsfünfzig, gebeugt, auf einen Stock gestützt. Sie hatte ein rundes Gesicht, freundliche Falten, auf den Wangen einen Tupfer Rot, ihre Lippen waren rosa geschminkt. Die Augen waren wasserblau, ihr Haar, füllig und silberweiß, war zu einem ordentlichen Dutt gesteckt. Sie trug einen roten Rollkragenpullover und eine schwarze Hose, an den Füßen leichte Pantoffeln. Die Hände mit den Altersflecken waren knochig und verkrümmt. Trotz ihres Alters und trotz ihrer achtzig Pfund wirkte sie noch immer beeindruckend.
Eine Hand ließ sie auf dem Stock, die andere streckte sie Martinez entgegen. »Adelaide Skinner. Treten Sie näher, Mr. Detective.«
Martinez drückte die vogelartige Hand. »Bert Martinez. Danke, daß Sie mich hereingebeten haben.«
»Ich hatte nur Angst, daß Sie mich sonst verhaften.« Sie lächelte flüchtig. »Kommen Sie, bevor ich mich erkälte.«
Adelaide Skinner schloß die Tür hinter ihm. »Wenn Sie kondolieren wollen, kann ich Ihnen sagen, daß schon einer von der Polizei da war. Ein Mister Strapp.«
»Das ist mein Vorgesetzter.«
»Ein netter Mann. Sehr schneidig. Und ein guter Politiker.«
Martinez folgte ihr. »Ehrlich gesagt bin ich gekommen, um mit Ihnen zu reden, Mrs. Skinner.«
»Mit mir?«
»Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Warum sollte ich?«
Sie blieb stehen, um zu verschnaufen. »Schön, reden wir eben. Aber erst zeige ich Ihnen das Haus. Das wird nicht lange dauern. Es ist ja klein. Das war meine Idee, nicht seine. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würden wir auf einer großartigen Ponderosa leben.«
Martinez grinste innerlich. Dieses Bekenntnis tat ihm wohl.
»Nicht, daß Walter der typische Rancher gewesen wäre.« Sie tapste mit winzigen Schritten vor ihm her. »Aber als Kirk Brown ist man das seinem Ruf schuldig.« Sie blieb stehen und blickte zu Martinez auf. »Sie sind vielleicht zu jung, um das zu wissen … «
»O nein, Madam! Ich bin sozusagen auf dem High Mountain groß geworden.«
Sie strahlte. »Jedenfalls, das war Walters Zimmer. Es zeigt seine Persönlichkeit, glaube ich.«
Martinez blickte sich um, sein Herz klopfte, als wäre er ein kleiner Junge. Die private Welt seines Westernhelden – ein Raum voller Wildleder und Gehörn, die Tische waren aus Treibholz zusammengezimmert, ein handgearbeiteter Navajoteppich auf den Kieferndielen. Dazu ein gewaltiger Kamin aus Feldsteinen. Und die Wände voller Bilder von Skinner als Kirk Brown in perfekter Westernkluft, einträchtig vereint mit anderen Filmgrößen – Hopalong Cassidy, Roy Rogers, The Lone Ranger, Wild Bill Hickock und Sky King. Dann noch die Fotos mit den Serienhelden der Abendprogramme – Kirk mit Bat Masterson, Sugarfoot und Mr. Favor. Und jede Menge Bilder von Skinner in Gunsmoke mit Matt Dillon, mit Chester und der verführerischen Miss Kitty. Als Junge hatte Martinez von Kittys Brüsten geträumt – jahrelang. Dann wurde die Serie älter und mit ihr auch Amanda Blake.
Die Bilder waren nicht das einzige, was die Wände zierte. Sie mußten sich den Platz mit präparierten Fischen teilen – mit einem riesigen Lachsweibchen, einem zähnefletschenden Barracuda, mit wehrhaften Schwertfischen und Speerfischen. Der Bücherschrank diente als Vitrine für weitere Fotos und für Skinners
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