Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
die Familien der Mesonen, Bosonen und Tau-Mesonen durchnehmen. Ich glaube, das könnte sehr interessant werden.«
Marge bemühte sich, das Mädchen nicht mit offenem Mund anzustarren. »Sehr interessant.«
Zum ersten Mal lächelte Vega schwach. »Sie mögen die Quantenphysik offenbar auch. Wir haben also etwas gemeinsam. Es würde Ihnen hier bestimmt gefallen. Vielleicht könnten Sie eine unserer geliebten Lehrerinnen werden.«
Marge spürte einen bohrenden Schmerz – dieses kleine steife und sich so gespreizt ausdrückende Mädchen versuchte, einen Bezug zu ihr herzustellen. Kaum zu glauben, dass sie erst vierzehn war. Die Teenager, die Marge während ihrer Zeit beim Jugenddezernat verhaftet hatte, waren zynisch und weltverdrossen gewesen. Die Kleine hier war so naiv, dass es schmerzte. Nur ein Kind, das gemocht werden wollte. »Das würde ich gern tun, Vega, aber ich bin nicht als Lehrerin ausgebildet. Ich bin Polizistin. Du weißt, was das ist, oder?«
»Natürlich.« Vega blieb ganz ernst. »Sie schützen und bewahren die Außenwelt davor, in vollkommenes Chaos zu versinken. Aber Sie können nur vorübergehende Abhilfe schaffen. Die Gesellschaft der Außenwelt ist viel zu entropisch, um einen permanenten Ruhezustand zu erreichen.«
Sie plapperte offenbar nach, was sie von ihren Anführern gehört hatte. Aber das Urteil war gar nicht so falsch. »Könnten wir jetzt noch mal auf Lyra und Andromeda zurückkommen?«
Das Mädchen nickte. »Selbstverständlich. Was immer Sie wünschen.«
Marge unterdrückte ein Seufzen. »Du sagst, Terra sei gegen neun Uhr morgens in euer Klassenzimmer gekommen.«
»Korrekt.«
»Und was ist dann passiert?«
»Sie fragte, wo unsere Lehrerin Andromeda sei. Natürlich wusste das keiner. Wir waren alle verwirrt.«
»Und dann?«
»Sie sagte, wir sollten zusammen mit ihrer Klasse – mit den jüngeren Kindern – meditieren, während sie der Verwirrung auf den Grund gehen würde. Wir warteten mit der Klasse der jüngeren Kinder.«
»Das ist jetzt ganz wichtig, Vega. Kannst du dich erinnern, ob Lyra mit euch zu Terras Klasse ging?«
»Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Das letzte Mal, dass ich Lyra bewusst gesehen habe, war beim Frühstück.«
»Schien Lyra hier im Orden glücklich zu sein, Vega?«
»Natürlich.«
»Sie hat sich nie über den Orden beschwert?«
»Nein, nie.«
»Hat sie mal über ihre Großeltern mit dir gesprochen?«
»Ich wusste nicht, dass sie Großeltern hat, die noch leben.«
»Leben deine Großeltern noch?«
»Ich weiß es nicht. Meine wahre Familie ist der Orden der Ringe Gottes.«
Marge zwang sich, nicht voreilig zu urteilen. Das würde nur der Ermittlung schaden und sie nicht weiterbringen. Sie sagte: »Hast du eine Ahnung, wo Lyra oder Andromeda sein könnten?«
»Nein.«
Marge schaute tief in die ausdruckslosen Augen des Mädchens, projizierte ihre eigenen Gefühle auf diesen leeren Spiegel. »Vega, machst du dir Sorgen um Lyra? Oder um Andromeda?«
Das Mädchen biss sich auf die Lippe. »Es wäre schön, wenn sie wieder da wären. Ich mag Lyra. Und ich mag unsere Lehrerin Andromeda sehr.«
»Warum magst du sie?«
Die Unterlippe des Mädchens zitterte. Das erste Anzeichen eines echten Gefühls. »Sie war sehr freundlich. Und sie hat so ein nettes, breites Lächeln. Wenn Sie sie nicht finden, werde ich sie vermissen.«
Eine Träne lief ihr über die Wange. Vega machte keine Anstalten, sie wegzuwischen.
»Andromeda hat uns mal ein Buch über einen kleinen Prinzen vorgelesen. Er flog durch alle Galaxien und erlebte viele aufregende Abenteuer.«
»Der kleine Prinz?«, fragte Marge. »Von Saint-Exupéry?«
»Korrekt. Das ist das Buch.«
Marge lächelte. »Weißt du, Vega, wir haben tatsächlich viel gemeinsam. Ich hab diese Geschichten auch geliebt. Wir haben sie im Französischunterricht gelesen, als ich in deinem Alter war.«
»Wir haben sie auf Englisch gelesen, aber Andromeda sagt, dass wir sie eines Tages auf Französisch durchnehmen werden. Irgendwann würden wir soweit sein, die Geschichten auf Französisch lesen zu können.«
»Sie hat euch also Der kleine Prinz vorgelesen?«
»Korrekt.« Vega seufzte. »Es waren eigentlich völlig alberne Geschichten, und Guru Pluto hat uns dann das Buch weggenommen und gesagt, sie wären zu unrealistisch und abstrus – was ja auch stimmte. Trotzdem …« Noch ein Seufzer und noch eine Träne. »Die Geschichten waren wunderschön.«
Als klar wurde, dass sich Lyra nicht auf dem
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