Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
Visagen.
Er musste schnell arbeiten, falls sie ein zweites Mal ihre Runde drehten. Seine einzige Lichtquelle bestand aus einer Stiftlampe. Er konnte nicht viel sehen, aber es reichte. Das meiste machte er sowieso dem Gefühl nach. Das Kratzgeräusch der Werkzeuge schien lauter als sonst zu sein, was ihm ein bisschen Sorgen bereitete, da es eine sehr ruhige Gegend war. Vielleicht hatte der Typ was gehört. Doch bis jetzt blieb es in der Wohnung ruhig und still. Bestens.
Während er weiterarbeitete, dachte er darüber nach, wie weit er es gebracht hatte. Er war jetzt ein verdammter Profi, nicht irgend so ein mieser billiger Drogenkurier für einen anderen Scheißkerl, der auf der Leiter eine Stufe über ihm stand. Schluss damit: Jetzt war er einer der großen Jungs. Und wie alle Profis hatte er seine Hausaufgaben gemacht, den Plan der Wohnung studiert und den Streifenwagen im Blick gehabt. Der Gringo wurde bewacht, und das war total nervig, aber er hatte schon ein größeres Aufgebot erledigt. Weiter oben zu sein, hieß auch, abliefern zu müssen. Garantiert ließ er sich nicht von ein paar bescheuerten Bullen aufhalten.
Bis jetzt hatte er noch keinen einzigen Schweißtropfen vergossen.
Als er sich sicher war, dass alles ruhig blieb, schlich er auf Zehenspitzen zur Hintertür und holte seine Dietriche hervor: ein Sechzehner-Set, beste Qualität aus Edelstahl. Er mochte ihre scharfen Spitzen und das Gewicht der Griffe.
Er klemmte sich die Stiftlampe zwischen Knie und Brust und versuchte, den Lichtstrahl genau auf das Schlüsselloch auszurichten. Das Licht reichte aus, um die Schwachstellen zu erkennen, und mit einem einzigen Schwung trieb er zwei Dietriche in das Schlüsselloch. Er ruckelte an ihnen und versuchte, das Klicken der Schlosstrommel abzupassen.
Er stocherte und rüttelte und bohrte, aber nichts passierte.
Hoppla.
Na ja, vielleicht ging es ein bisschen schwerer, als er gedacht hatte.
Er ließ die Dietriche im Schloss stecken und schaltete die Lampe aus. Dann arbeitete er eben nur nach Gefühl weiter. War sowieso besser, ganz im Dunkeln zu bleiben. Der Himmel war pechschwarz, und kein bisschen Mond zu sehen, da könnte ihn die Stiftlampe wie ein Scheinwerfer verraten. Nach ein paar Minuten entschied er sich für ein anderes Set Dietriche. Er wählte sie sorgfältig aus und legte die beiden ersten in ihr Lederetui zurück.
Er pulte mit den Dingern im Schlüsselloch hin und her, auf der Suche nach der Schlosstrommel. Bingo, diesmal klappte es besser. Er hörte das erste Klicken, als die Trommel an die richtige Stelle flutschte, dann das zweite Klicken und schließlich das dritte. Als der Bolzen nachgab, öffnete er langsam die Tür.
Die Kette war eingehängt, aber das Schätzchen war nicht schwer aus dem Weg zu räumen. Du legst das Werkzeug an, ziehst die Tür fast ganz zu dir heran und führst dann das Schloss über …
Er spitzte die Ohren.
Da redete jemand … eine Frau mit ein paar Typen.
Er hörte das Piepsen eines Funkgeräts.
Polizistengequatsche.
Das gefiel ihm überhaupt nicht.
Beeil dich, beeil dich.
Zum ersten Mal an diesem Abend begann er zu schwitzen. So sollte das Ganze nicht ablaufen. Er hatte immer einen Plan und normalerweise genug Zeit.
Seine Hände begannen zu zittern.
Konzentrier dich, Arschloch, konzentrier dich!
Das Schloss darüberziehen … die Kette fallen hören. Nicht gerade die eleganteste Art und Weise, aber es war vorbei. In Sekundenschnelle schlich er nach drinnen.
Er ließ den Bolzen an die richtige Stelle zurückschnappen und legte die Kette wieder vor.
Die Bullen konnten jetzt so viel quatschen, wie sie wollten.
Er träumte das nicht.
Die Kratzgeräusche waren echt. Der Geruch war echt – nach Schweiß und Angst einer männlichen Person.
Harriman wusste, er steckte in Schwierigkeiten.
Schweißüberströmt setzte er sich auf, und seine Hände zitterten, als er über den Nachttisch hinweg nach seinem Handy tastete. Dabei stieß er gegen die Fernbedienung des Fernsehers, die mit einem dumpfen Ton zu Boden fiel.
Hatte er das gehört? Hoffentlich nicht. Dem Teppich sei Dank.
Noch mehr Herumgesuche, bis er es endlich in seinen warmen, feuchten Händen hielt, das Metall kalt und glatt. Den Einschaltknopf drücken. Der Mann wurde mutiger, ging durch die Wohnung, ohne sich jegliche Mühe zu geben, auf Zehenspitzen zu schleichen. Seine Schritte waren laut und deutlich zu hören.
Er hörte den Jingle des Handys, als es ansprang. Es schien eine Ewigkeit
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