Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
Schau«, meinte Rina.
»Ich hatte mal einen Stalker«, sagte Joy. »Ein Typ bei der Arbeit. Der Kerl hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen.«
»Was hast du dagegen unternommen?«, fragte Ally.
»Ich habe ihm wiederholt gesagt, er soll abhauen. Als er immer noch nicht lockerließ, habe ich ihm Kaffee ins Gesicht gekippt.« Da die Gruppe sie sprachlos anstarrte, fügte sie hinzu: »Er war lauwarm. Aber ich hatte mich klar ausgedrückt. Er hat mich nie wieder belästigt.«
»Du bist ja knallhart«, sagte Ryan, »härter als meine Kunden.«
Joy tätschelte mütterlich seine Hand. »Ich bin vielleicht eine Großmutter, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich verarschen lasse.«
»Hast du in der Anhörung den Stalker erwähnt, als sie dich nach Erfahrungen mit Straftaten gefragt haben?«, wollte Ally wissen.
»Nee, hab ich nicht. Es war ja keine wirkliche Straftat. Nur schlechtes Benehmen. Mann, wenn sie Leute schon wegen Verdachts auf schlechtes Benehmen ausschließen, dann würde das Rechtssystem niemanden mehr für die Jurys finden.«
5
Da man sich in Los Angeles befand, hätte die Szene auch ein typischer Aufmacher für eine der Krankenhaus-Serien sein können, die seit Jahren über die Bildschirme flimmerten. Die Männer brüllten Befehle, während sie durch die Gänge hasteten, mit besorgten Krankenschwestern im Schlepptau. Nur dass diese Männer hier nicht in OP-Kittel, sondern in Anzug und Krawatte gehüllt waren, eskortiert von Aufpassern. Die Krankenschwestern baten die Gruppe von Geschäftsleuten lautstark um Erklärungen, aber die Männer hörten ihnen ganz offensichtlich nicht zu. Irgendjemand wollte die Sicherheitskräfte alarmieren.
Die Truppe zog an Marge und Decker vorbei, und die beiden sahen sich an.
»War das die Kaffey-Familie?«, schlug Marge vor.
»Vielleicht sollten wir uns einmischen, bevor jemand sie rausschmeißt«, meinte Decker.
»Das ist eher unwahrscheinlich, da dieser Trakt die ›Kaffey-Notaufnahme‹ heißt.« Marge beobachtete weiter den Streit vor der Intensivstation. »Loo, wir sollten eine Wache herbeordern. Wir wissen nicht, ob die Familie in den Fall verwickelt ist. Vielleicht sind sie hier, um die Sache zu Ende zu bringen.«
»Wohl wahr.« Decker atmete tief ein und langsam wieder aus. »Also los.«
Sie gesellten sich zu der Versammlung, deren zahlreiche Mitglieder laut und fordernd miteinander stritten. Angeführt wurde die Revolte von einem jungen Mann um die zwanzig, der Rückendeckung bekam von einem älteren Herrn Ende fünfzig. Decker stürzte sich ins Getümmel. »Darf ich Ihnen behilflich sein?«
Der junge Mann starrte Decker wütend an. Er war mittelgroß und hatte dichtes blondes Haar. Wenn Decker die Augen eng zusammenkniff, konnte er in den Gesichtszügen Ähnlichkeit mit dem Bruder Gil entdecken.
»Wer verdammt noch mal sind Sie?«
»Sergeant Lieutenant Peter Decker und Detective Sergeant Marge Dunn von der Mordkommission des LAPD.« Er streckte die Hand aus. »Sind Sie Grant Kaffey?«
Die Augen verengten sich. »Erst möchte ich einen Ausweis sehen.«
Decker öffnete seine Brieftasche, und sowohl der Jüngere als auch der Ältere inspizierten seinen Ausweis. Als sie zufriedengestellt waren, sagte der Ältere: »Was zum Teufel ist hier eigentlich los?«
»Würden jetzt Sie sich bitte vorstellen? Wir wissen ganz gerne, mit wem wir es zu tun haben.«
Der ältere Mann meldete sich zuerst. »Mace Kaffey, ich bin Guys Bruder.« Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, das gezeichnet war von Trauer, Müdigkeit und Unmut. »Das hier ist Grant Kaffey. Wir wollen mit Gil sprechen.«
»Gil steht unter starken Medikamenten. Er wurde verletzt –«
»Wie schlimm?« Der jüngere Mann wirkte erschrocken. »Wurde er angeschossen?«
»Er wurde angeschossen.«
»O Gott!«, rief Mace.
»Wie wär’s, wenn wir erst mal ein Zimmer finden und Kaffee bestellen? Sergeant Dunn und ich werden dann versuchen, Sie auf den neuesten Stand zu bringen.«
»Wann kann ich meinen Bruder sehen?«, fragte Grant.
»Das entscheide nicht ich, Mr. Kaffey, dafür ist der Arzt zuständig.« Decker wandte sich an eine der Krankenschwestern. »Gibt es für uns ein freies Zimmer?«
Die Stationsleitung – eine stämmige Frau mit strengem Blick namens Jane Edderly – stürmte mitten in das Spektakel. »Hier sind viel zu viele Leute. Sie blockieren den Gang.«
»Harvey«, sagte Grant, »besorgen Sie uns Kaffee. Engles und Martin, Sie bleiben bei uns. Alle anderen warten
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