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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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vertragen. Ich komme aus einer trinkfesten Familie«, beruhigte sie ihn, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sie erzählte ihre Lebensgeschichte, von dem Aufwachsen im Arbeiterviertel Wedding. Klar seien die Lebensumstände und die Zukunftsaussichten dort noch nie besonders rosig gewesen. Seitdem die Nationalsozialisten an der Regierung seien, sei immerhin einiges besser geworden. Aber zurück möchte sie nicht. Sie wohne jetzt bei ihrer Freundin in Weißensee, in einem netten Haus. Ja, sie sei lesbisch und das aus Überzeugung. Männer gäben ihr nichts, das sei nicht persönlich gemeint, aber sie könne da Dinge erzählen. Bevor sie so in Fahrt kam, wurden die Bekenntnisse durch einen Tumult an der Bar und den Hinauswurf eines Gastes unterbrochen, der deutlich über den Durst getrunken hatte.
    »Wir können noch zu Tante Amalie gehen, wenn Sie Lust haben, nach meinem Auftritt? Da ist immer was los.«
    Tante Amalie? Und ob Garoche dazu Lust hatte! Er wollte endlich sehen, was Berlin wirklich zu bieten hatte. Er wollte die Nachtseite der Stadt entdecken.

    ›Tante Amalie‹ war ein mehr oder minder ausgebauter Keller, auf einem Hinterhof in der Nähe Nollendorfplatz gelegen. ›Privat‹ stand an der hölzernen Tür im Hausflur, und durch ein eingelassenes Guckloch hatte man sich der Gesichtskontrolle zu unterziehen. Was auch immer an Plüsch, Tand und Nippes in der Stadt aufzutreiben war: Hier hing es an den Wänden, baumelte von der Decke oder stand in kleinen Nischen aufgestellt und liebevoll drapiert. Garoche und die Vedova fanden Platz in einer der Ecken, Hut und Mantel warf er über den Kopf eines Posaunenengels, der, an einen Pfeiler hängend, in sein Instrument mit aufgeblähten Backen blies, ohne dass jemals ein Sterblicher einen Ton gehört hatte.
    Wie das Schild an der Tür schon mitteilte, wurde den Gästen von der Bardame und Betreiberin des Clubs gleichen Namens noch einmal eingeschärft, man solle nach dem Verlassen des Lokals nur absolut vertrauenswürdige Menschen von der Existenz dieser Örtlichkeit in Kenntnis setzen.
    »Es kann gefährlich werden, wenn die falschen Stellen davon Wind bekommen. Und das nicht nur, weil keine Schankgenehmigung vorliegt«, fügte Fräulein Kroske geheimnisvoll an, bevor sie die von Tante Amalie in eine Nische gebrachten Gläser mit dem von Garoche bezahlten Sekt füllte. Lange hielt sich die quirlige Aphrodite nicht auf dem Stuhl, sie entfernte sich leichtfüßig, um in einem anderen Separee einen älteren Herrn zu begrüßen, der sich als Dame gekleidet wiederum mit einem Herrn unterhielt, der ganz offensichtlich kein Herr war.
    Überhaupt schien in dem Club jeder ein anderes Geschlecht vorzugeben, als es ihm oder ihr von der Natur aus mitgegeben war.
    »Darf ich Sie zu einem Getränk einladen?«
    Der Mann mit Hut und Kneifer auf der Nase lächelte Garoche an, und da dieser nicht reagierte, bestellte er bei Tante Amalie eine weitere Flasche Sekt, setzte sich an den Tisch und schenkte ein.
    »Ich selber trinke nicht, ich vertrage es nicht«, erklärte sich der Herr und zeigte auf ein Glas Ginger Ale, ohne dass sein Gegenüber überhaupt eine Erklärung dafür verlangt hatte. Zum Zeichen seiner Abstinenz hob er sein Glas. Garoche konnte die Ingweressenz riechen.
    »Sie sind noch nicht hier gewesen, habe ich recht? Ich selber komme ein-, zweimal im Monat, so wie ich Zeit habe.«
    Garoche hatte immer noch kein Wort gesprochen, er hatte auch gar keine Lust, sich auf ein Gespräch einzulassen. Der andere schien die Gedanken des Malers gelesen zu haben.
    »An sich weiß ich schweigsame Menschen zu schätzen. Ich selber komme in dieses Lokal, um zuzuhören, nicht um zu reden.« Als ob ihm Garoche mit seiner Einsilbigkeit etwas anderes unterstellt hatte, erklärte er sich: »Ich liebe keine Männer, wie Sie jetzt vielleicht vermuten. Ich höre ihnen nur gern zu.« Er zog seine Brieftasche aus der Jackentasche und blätterte einhundert Mark auf den Tisch. »Am liebsten höre ich Geschichten«, deutete er an und schob die Geldscheine langsam über den Tisch. »Sie kennen bestimmt viele Geschichten.«
    »Ich muss Sie leider enttäuschen«, erhob sich Garoche und ließ den Mann mitsamt Banknoten zurück.
    »Er ist leitender Angestellter, verheiratet, zwei Kinder und ein Häuschen im Grünen. Er lässt sich gern schmutzige Sachen erzählen und bezahlt dafür. Er ist harmlos«, stellte Tante Amalie am Tresen den Fremden in dessen Abwesenheit vor. »Die meisten sind harmlos, sie

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