Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
als Waffe hätte verwenden können. In der Mitte des Tisches stand eine halb leere Flasche Wein und ein mit Fingerabdrücken und Farbresten übersätes Glas. Unter dem Tisch fanden sich weitere Dosen mit Farbpigmenten und auf dem Boden war dank der Schuhsohlen des Malers aus den heruntergetropften Farbklecksen ein buntes Bild entstanden.
Garoche sog den bekannten Geruch von Leinölfirnis in die Nase und sah sich neugierig die Werke des Kollegen an, während Niewarth den aufgeschreckten Künstler begrüßte.
»Herr Katuschke, ich möchte Ihnen Herrn Gustave Garoche vorstellen.« Der Galerist machte die beiden Maler miteinander bekannt.
Katuschke erhob sich etwas schwerfällig von seinem Schemel, streckte die Beine und drückte den Rücken durch. Dann reichte er Garoche die Hand, nicht ohne sie vorher an seiner Kittelschürze durch Abstreifen von Farbe zu reinigen.
»Entschuldigen Sie, aber hier gibt es leider kein Wasser, womit man sich die Hände waschen könnte«, sagte er mit falschem, übertriebenem Bedauern und einem Seitenblick auf den Kunsthändler.
»Ich müsste erst in das Badezimmer im Haus und mir das Terpentin abwaschen, aber ich möchte nicht meinen Malfluss unterbrechen«, fügte er mit noch einer zweiten vorwurfsvollen Spitze gegen Niewarth an.
»Das macht nichts«, sagte Garoche freundlich, »wie Sie sich denken können, bin ich den Umgang mit Farbe und Terpentin gewöhnt.«
»Ach ja, Sie sind ja der zweite Gefangene und Sklave unseres Herrn Niewarth«, übertrieb jetzt Katuschke in den Augen des Galeristen. Der erklärte Garoche: »Sie müssen ihm nicht alles glauben, was er sagt, er neigt zu starken Übertreibungen«, und zu Katuschke: »Niemand ist hier gefangen und schon gar kein Sklave.«
Doch Katuschke interessierte sich längst nicht mehr für das, was der Kunsthändler sagte, und goss sich sein Glas mit Wein voll, während sich Niewarth wieder Garoche zuwandte: »Aber Sie werden sich ja sicherlich noch besser kennenlernen und einleben. Zwischen uns ist ja so weit alles besprochen. Ich muss mich leider verabschieden. Ihre Aufgabe ist es, die Kunst zu schaffen, meine, sie zu verkaufen. Ich übergebe Sie der Obhut Katuschkes. Katuschke, Sie führen Herrn Garoche bitte herum und zeigen ihm sein Schlafgemach und alles andere.« Er wollte die Hand zum deutschen Gruß heben und hatte schon ein ›Heil!‹ auf den Lippen, erkannte jedoch die Situation und verließ die Künstler mit einem einfachen »Guten Tag«.
Die Männer sahen dem Galeristen durch die offen stehende Tür nach, wie er in sein Auto stieg und, ohne noch einmal zurückzusehen, mit Wedt und Löhner vom Grundstück fuhr.
»Schlafgemach nennt er diese Bruchbude. Na ja«, bemerkte Erwin Katuschke ärgerlich, ohne seinen Nebenmann anzusehen, und setzte sich wieder auf seinen Schemel. Als er schon die Palette und den Pinsel in den Händen hielt und mit seiner Arbeit fortfahren wollte, drehte er sich noch einmal zu Garoche: »Sie werden verstehen, wenn ich jetzt nicht das Bedürfnis nach einer Hausführung habe. Später bin ich gerne bereit, Sie durch dieses Gefängnis zu begleiten.« Er war schon wieder in ein Permanetblauviolett für einen Nachthimmel eingetaucht und spürte unwillig den Blick Garoches im Rücken. »Ich bitte inständig, starren Sie mir nicht auf meine Arbeit«, wehrte sich der Künstler, obwohl Garoche außer dem Ansatz für den Himmel noch nichts auf der Leinwand erkennen konnte. »Sie können gerne auf eigene Faust das Haus und die Umgebung erkunden. Wenn Sie das Bedürfnis haben, Farbe auf eine Leinwand zu schmieren, bitte! Im Nebenraum finden Sie alles Nötige. Dort können Sie Ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Wenn Ihnen der Sinn nach einem Ausflug steht, will ich Sie nicht aufhalten. Im Ort ist ein Gasthaus. ›Zur Sonne‹ kann ich Ihnen empfehlen, ich beliebe von Zeit zu Zeit, wenn ich aus diesem Gefängnis ausbrechen muss, dort ein Gläschen zu trinken. Die Küche ist einfach. Sie sind Italiener? – Ah, Belgier. Na ja. Wenn Sie für die Natur schwärmen, packen Sie sich Ihr Malzeug ein, etwa einen Kilometer entfernt finden Sie einen See und alles, was Sie sonst noch für ein Landschaftsbild brauchen. Ich verabscheue reine Landschaften in allen Farben, Größen und Formen sowie in jeglichem Malstil.« Damit war die Haus- und Landschaftsführung vorerst für Erwin Katuschke beendet. »Und entschuldigen Sie«, fügte er noch an, ohne sich noch einmal umzudrehen, »dass ich Ihnen keinen Wein angeboten
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