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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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sich. Ja, Garoche war einer der überhaupt nicht in dieses Schema hineinpasste. Was zwang ihn, hier in Berlin zu bleiben. Anders als ein Erwin Katuschke konnte er jederzeit abreisen und in jeder anderen Stadt der Welt seine Kunst verkaufen.
    Aber konnte er das wirklich? Jetzt waren sie wieder da, die Selbstzweifel. Die Frage, ob er jemals ein großer Künstler werden würde?
    Wilderer nahm Gustave die Frage ab. Vorläufig jedenfalls. »Wir könnten noch einen talentierten Maler in unserer Galerie brauchen.«
    Dass Hans Wilderer und Greta Schön keine Galerie im herkömmlichen Sinn hatten, sondern mehr ein ›Bauchladengeschäft‹ führten, wusste Garoche zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, und es wäre ihm auch egal gewesen.
    Einen Hinweis darauf, dass hier in der Wohnung mit Kunst gehandelt wurde, mit moderner Kunst, suchte man vergebens. Die karge Bebilderung der Wände sagte jedenfalls nichts über den Hauptzweck dieser vier Wände aus. Es waren nur ein alter Schinken über dem Sofa und ein Stich von Albrecht Dürer zwischen den beiden Fenstern angebracht. Natürlich war der Dürer nur ein Druck und das Gemälde an der Wand war, wie Garoche lächelnd feststellte, Bayerische Hochalpenperiode der späten Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Der röhrende Hirsch vor schneebedecktem Gebirge war ein eindeutiges Erkennungsmerkmal.
    Wo denn das Lager von Wilderer war, sagte der Kunsthändler nicht. Auch über Niewarth hielt sich der Mann in dieser Hinsicht bedeckt.
    »Die anderen Bilder, ich meine die…, na, Sie wissen schon, von Ihnen und dem Katuschke, hat der Niewarth natürlich nicht in seiner Galerie. Dafür hat er ein gesondertes Depot.« Wilderer überlegte kurz, ob er dem Maler mehr über das Depot erzählen sollte, entschied sich jedoch dagegen.
    Aber das war dem Maler sowieso egal. Vielmehr galt Garoches Interesse schon während der ganzen Zeit seines Besuchs dem Paket, das Wilderer im Flur abgestellt hatte. »Was haben Sie denn da? Darf ich einmal sehen?«
    »Es ist ein Original. Der Maler heißt Fritz Tucher.«
    Fritz Tucher? Von diesem Künstler hatte Garoche noch nichts gehört.
    Hans Wilderer zog bereitwillig das Papier von dem Gemälde. Es war eine Stadtansicht. Berlin. Der Titel, auf einem Zettel notiert und an den Rahmen geheftet, beschrieb die exakte Gegend: ›Wedding‹. Das Bild war auf 1928 datiert. Garoche nahm das Gemälde mit den Maßen vierzig mal siebzig Zentimeter in die Hände und hielt es fachgerecht ins Licht, das durch die Fenster in das Wohnzimmer drang.
    Der Ausdruck des Pinselstrichs war ungemein kräftig. Kräftig waren die Farben, kräftig gezeichnet waren auch die Menschen, die an den Häuserfassaden vorbeigingen. Die Fassaden selbst waren in Grau gehalten, wie die meisten Mietskasernen im Wedding. Und doch staunte der Maler. Die Mischung war nicht einfach nur grau. Es war auch Gelb dabei, Blau und Weiß. Es waren Wolken. Wolken in denen Fenster eingefügt waren. In manchen hingen Blumenkästen mit ein wenig Grün. Garoche war beindruckt. Was für eine Idee die unansehnlichen, tristen Häuserfronten wie dahintreibende Wolken zu gestalten. So bekamen die ärmlichen Wohnstätten der Arbeiter wirklich etwas Wohnliches, etwas Freies. Der Betrachter bekam den Eindruck im nächsten Moment würden die Bewohner der Straße mit ihren Häusern abheben und davonfliegen. Womöglich in eine bessere Gegend, in eine bessere Zukunft.
    Garoche hatte sich sofort in das Bild verguckt. »Was soll das Bild kosten? Ich will es haben.« Er stellte das Gemälde vorsichtig an eine Wand, trat ein paar Schritte zurück und zog seine Brieftasche.
    Wilderer war überrascht und überlegte. »Aber es ist schon einem anderen Käufer versprochen.« Unwillkürlich sah der Kunsthändler auf seine Uhr. Der Kunde wurde wahrscheinlich jeden Augenblick erwartet.
    »Was soll es kosten?«
    »Fünfhundert Reichsmark.«
    »Ich gebe Ihnen siebenhundert. Ich habe einhundert Reichsmark bei mir. Den Rest erhalten Sie morgen oder übermorgen.«
    An den Hundertmarkschein, den ihm Niewarth zugesteckt hatte und der lose in seiner Tasche steckte, hatte Garoche nicht gedacht. Aber die Sache war schon entschieden.
    Greta nickte sofort. Sie war wohl von den beiden Kunsthändlern die Rechenstärkere. Leise flüsterte sie Wilderer ins Ohr, aber Garoche konnte es trotzdem hören: »Wir sagen Niewarth, wir haben einen Käufer gefunden, der bereit ist, sechshundert zu zahlen, und die anderen Hundert behalten wir als

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