Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Halbdunkel einer Ecke in das Licht der Deckenlampe. Es war Maria, Garoches Geliebte aus Venedig. Sie zog Ada von Eduard fort und nahm sie in den Arm. »Armes Kind, was hat dir dieses Scheusal angetan?«
Ada schüttelte ihren Kopf. Maria flüsterte dem Hausmädchen etwas in ihr Ohr, das Garoche nicht verstehen konnte. Urplötzlich veränderte sich Adas Blick, und der Maler erkannte in ihm denselben Ausdruck, den er bei Maria in Venedig auf dem Campo Morosini gesehen hatte.
»Halt!«, rief er, »bleib so, ich will dich malen. Ich muss diesen Ausdruck festhalten!« Doch statt seinem geforderten Zeichenblock holte Maria das Bild von Garoche, auf dem er sie porträtiert hatte, hinter ihrem Rücken hervor und stellte es vor sich und Ada auf den Dielenboden. Dann, ohne den hasserfüllten Blick vom immer noch gefesselten Künstler auf dem Bett zu lassen, trat sie von hinten durch die Leinwand und teilte das Bild in zwei Hälften.
»Ada, Ada!«, flehte Garoche, »es sind doch alles Lügen, was dir Maria da erzählt hat, kein Wort davon ist wahr, das musst du mir glauben.«
Unter einem lauten Knall – Maria hatte das Bild achtlos auf den Boden fallen lassen – äffte Heinz Wilg Garoche nach und wiederholte die letzten Worte. Dann fügte er mit einem schiefen Lachen an: »Du hättest mich malen sollen, Schätzchen! Dann würde man deine Bilder jetzt nicht so behandeln!«
»Du Schuft!« war das Letzte, was Garoche von Ada hörte, als sie das Schlafzimmer und die Wohnung in Begleitung Marias verließ.
Katuschke war vom Balkon in das Zimmer getreten und hatte sich, während er durch die Tür ins Schlafzimmer trat, vor Garoches Augen in den Maler Otto Mueller gewandelt. Der setzte sich prompt auf die Kante von Garoches Bett, Eduard auf die andere Seite. Nun starrten ihn beide Männer an. Otto Mueller roch nach Wein, und Garoche war sich nicht sicher, ob es nicht doch noch sein Kollege Katuschke war, zumindest der Alkoholfahne nach. Der große Künstler sah ihn nur stumm, die Stirn in Falten gelegt, an. Eduard schüttelte den Kopf.
»Warum musste es so weit kommen? Kannst du mir das erklären?«, fragte der Freund jetzt ganz ruhig.
»Ich will doch nur Bilder malen, weiter nichts.«
»Nur Bilder malen?«, echote Otto Mueller, zog seine Stirn noch mehr in Falten und hob eine Weinflasche, die unter dem Bett von Garoche gestanden hatte hervor. Er entkorkte sie, doch statt zu trinken, vergoss er den Inhalt auf der bloßen Brust Garoches.
Von dem Gefühl der Feuchtigkeit auf seinem Körper erwachte der Maler, und nach einigen Sekunden der Orientierung wurde ihm bewusst, dass er schweißgebadet war.
Garoche erhob und wusch sich, kleidete sich an und trank in der Küche einen Schluck kalten Kaffee. Plötzlich stand Ada hinter ihm. Aus verschlafenen Augen heraus versuchte sie Kaffeebohnen in die Mühle zu schütten, doch da etliche auf den Boden fielen, stieß sie ärgerlich einen Fluch aus. Garoche schob sie aus der Küche hinaus und schickte sie wieder nach oben, damit sie weiter schliefe.
Für die Arbeit im Atelier war es noch zu früh, und die herrlich frische Luft des anbrechenden Morgens veranlasste den Maler, einen Spaziergang zu unternehmen. Den Zeichenblock unterm Arm schlug er den Weg zum nahe gelegenen See ein. Die Straßen waren leer, und nur vereinzelt war ein Fenster erleuchtet. Ein einsamer Radfahrer holperte langsam auf dem Kopfsteinpflaster. Er hielt den Kopf gesenkt, als schliefe er noch, sodass er den frühen Spaziergänger nicht bemerkte. Im Ortskern von Pötzow wehte Garoche der verführerische Duft frischer Brötchen aus der Backstube der Bäckerei um die Nase.
Der See ruhte still gegen das aufgehende Tageslicht. In der Mitte des Gewässers konnte Garoche im leichten Dunst, der auf dem Wasser lag, ein Ruderboot mit einem Angler ausmachen. Ohne auch nur eine Welle zu verursachen, trieb das Boot bewegungslos auf dem Wasser. Lediglich der Schwimmer an der Angelschnur hüpfte ab und zu auf der Oberfläche. Der Maler setzte sich auf einen Baumstamm, vor Entdeckung durch den Angler hinter Schilf verborgen, und begann zu zeichnen. Bei genauerem Betrachten erkannte er den Hitlerjungen aus dem Lebensmittelgeschäft Dorne. Dieses Mal ohne sein braunes Hemd und ohne den Koppelhalfter. Auf dem Kopf saß, statt der HJ-Mütze, eine braune Schiebermütze.
Eine Unruhe und bald darauf ein Zappeln an der Angelschnur ließen den heimlichen Beobachter in seiner Arbeit innehalten. Gespannt verfolgte Garoche den Kampf des
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