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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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riskieren, entdeckt zu werden, zumal mein gewählter Nachname ohnehin sehr auffällig ist.«
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte der Maler und nickte. »Wann reisen Sie?«
    »Ich hoffe in zwei Wochen. Ich habe noch einige Aufträge. Das Geld kann ich gut gebrauchen. Aber ich denke, ich werde dort nicht den Rest meiner Tage verbringen.«
    Es schien, als erinnere sie sich gerade des Gesprächs mit dem jungen Helmut Neustädter, als sie mit einem Mal unvermutet Garoches Hand nahm. »Und wir? Sehen wir zwei uns wieder?«
    »Wer weiß, ich war noch nie in New York. Außer auf meinen Verträgen natürlich.« Garoche lächelte und drückte ihre Hand. Dann schrieb er ihr seine Adresse in Pötzow auf. Zunächst dachte er daran, sie auf Eduards Anschrift zu verweisen, wenn er das Haus und mit ihm auch Katuschke und Niewarth hinter sich gelassen haben würde. Wenn er wieder seine eigene Signatur unter die Bilder setzte. Dann aber fiel ihm jäh der Streit mit seinem Freund ein.
    »Ich schreibe dir«, duzte sie den Künstler bei ihrer Verabschiedung und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Jetzt muss ich aber los. Es gibt noch viel zu erledigen.«

    Das Geschäft Otto Niewarths, das Garoche vor seiner Rückfahrt nach Pötzow aufsuchen wollte, war um die Mittagszeit geschlossen. Die Stunde Wartezeit vertrieb sich der Künstler mit einem Spaziergang.
    Wie schon des Öfteren konnte Garoche auch diesmal feststellen, dass die Berliner überaus freundlich zu Touristen und zu denen, die sie dafür hielten, waren. Ihre Gastfreundschaft war fast schon überschwänglich. Dadurch kamen ihm das, was er von Barbara Leville erfahren hatte, und die Episode, die ihm nun am Savignyplatz bevorstand, im Nachhinein noch viel sonderbarer und irrealer vor.
    »Sie sind doch kein Jude, oder?«
    Garoche blickte von seiner Parkbank hoch und sah den älteren Mann entgeistert an.
    »Wenn Sie nämlich Jude wären, dürften Sie sich nicht auf diese Bank setzen. Das ist verboten. Nicht war, Fridolin?«, fragte der alte Mann seinen Rauhaardackel, wohl wissend, dass dieser keine Antwort geben, sondern lediglich den Kopf schieflegen und sein Herrchen fragend ansehen würde.
    »Wollen Sie mir das etwa verbieten?« Der Maler schickte dem Passanten einen empörten Blick und setzte sich mechanisch ans andere Ende der grün lackierten Holzbank.
    »Ich nicht, das Gesetz verbietet es.«
    »Das Gesetz? Was reden Sie denn da, es ist eine Parkbank; wo steht, dass es für Juden verboten ist, sich darauf zu setzen?«
    Der Alte wies stumm auf eine Latte der Rückenlehne, an der ein rechteckiger Gegenstand entfernt worden war. Vier Löcher, in denen die Schrauben gesteckt hatten, und die Umrisse, die nach einem neuen Anstrich ausgespart wurden, ließen erkennen, dass hier ehemals ein Schild angebracht war.
    »Nur für Arier!«, zitierte der Mann mit erhobenem Zeigefinger die Inschrift des nicht mehr vorhandenen Verbotsschildes. »Für Juden verboten, und dort drüben hängt normalerweise eine große Holztafel.« Der Alte schwenkte seinen Arm mit dem ausgestreckten Finger in Richtung eines Backsteinbaus: »Und da steht: ›Die Juden sind unser Unglück.‹ Von hier aus kann ich es ganz genau sehen. Es ist mein Stammplatz, hier machen wir immer Halt auf unserem Spaziergang, Fridolin und ich. Ich bin nicht mehr ganz so gut zu Fuß«, beklagte der Rentner und rieb sich das linke Bein. »Früher war ich Streckenläufer bei der Reichsbahn, aber daran ist heute nicht mehr zu denken.«
    Garoche unterbrach dem mitteilsamen Mann und fragte, was ›normalerweise‹ zu bedeuten habe.
    »Haben sie alles abgemacht und abgehängt. Die ganzen Schilder und Transparente – wegen der Olympiade und der vielen Ausländer. Sogar den ›Stürmer‹ gibt es nur unter der Hand. Sie sind auch Ausländer, habe ich recht? Aber Jude sind Sie nicht, jedenfalls kein deutscher Jude, sonst hätten Sie sich wahrscheinlich gar nicht erst auf die Bank gesetzt«, schlussfolgerte der Alte, neugierig zu erfahren, wer sein Gegenüber war. »Sind Sie Sportler? Nehmen Sie an den Wettkämpfen teil? Nun geht es ja bald los. Ich hätte gerne eine Eintrittskarte für das Olympiastadion zur Eröffnung, aber unsereins kommt da nicht ran. Nur mit Beziehungen zur Partei.«
    Garoche dachte einen Moment lang daran, dass auch Eduard Karten für das Fest hatte. Dann stand er auf und ließ den Mann mit seinem Dackel allein, ohne ein Wort zu sagen. Enttäuscht über die entgangene Unterhaltung in seinem sonst tristen Leben,

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