Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
doch so. Dass meine Frau Jüdin ist, war nur ein Vorwand, mich aus der Kanzlei hinauszudrängen. Vielmehr war ihnen mein politischer Einfluss ein Dorn im Auge. Seit zwei Jahren bin ich nun zur Untätigkeit verurteilt.« Ein Ausdruck bitterer Ironie huschte über sein Gesicht, und mit gespielter Gelassenheit sagte er: »Dass sie mich nicht auch ermordet haben wie seinerzeit den Reichskanzler, liegt nur daran, dass ich damals mit meiner Frau im Ausland weilte. In Paris.«
»Eine herrliche Stadt!«, schwärmte Eleonore Winter.
»Nach unserer Rückkehr aus Frankreich habe ich von der Ermordung Schleichers während der Unternehmung gegen Röhm erfahren. Alles ein Aufwasch, wie der Berliner sagt. Eine Begründung für meine Liquidierung haben sie dann wohl nicht so schnell zur Hand gehabt. Nun haben sie mich eben auf diese Weise kaltgestellt. Aber ich weiß nicht, was besser ist: Tot und begraben unter der Erde oder einfach ignoriert, ausgeschlossen und aus dem Leben verbannt?«
Draußen fegte ein leicht ergrauter Gärtner das Laub zusammen. Eine Sisyphusarbeit, da hinter ihm immer wieder neue welke Blätter von den Bäumen fielen und der Wind den Haufen auseinandertrieb. Durch das mechanische Geräusch des Rechens auf den Steinplatten und die langsamen Bewegungen des Mannes versanken die drei Zuschauer für einen Moment in ihren Gedanken.
Der Gärtner hielt in seiner Arbeit inne und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Dann bückte er sich, um das Laub in einen bereitgestellten Korb zu legen, fasste mit schmerzverzerrtem Gesicht an seine Hüfte und richtete sich wieder auf.
»Ja, wir werden alle nicht jünger«, kommentierte Frau Kommerzienrat wehmütig und brach damit das Schweigen.
»Ja, Eleonore, da hast du wohl recht«, pflichtete ihr Mann ihr bei, und wie um das vorher Gesagte und Gedachte zu vergessen, fragte er Garoche: »Sagen Sie, der Herr Katuschke, wohin noch gleich führt ihn seine Studienreise?«
Um der Frage auszuweichen, kündigte der Maler seinen Aufbruch an. »Leider, aber ich habe noch zu arbeiten. Ein Auftrag.«
Der Kommerzienrat nickte verständnisvoll, und als Garoche sich erhob und die Hand zum Abschiedsgruß reichte, ergriff der Kommerzienrat die dargebotene, hielt sie innig fest und fragte den Künstler, ob er wohl bereit wäre, ein Porträt von ihm und seiner Frau zu malen. »Ich weiß, es klingt ein wenig seltsam, wo wir beide so zurückgezogen hier leben, und Kinder haben wir auch keine, aber es würde mich freuen und meine Frau sicherlich auch.«
Eleonore Winter, über den Vorschlag ihres Mannes hocherfreut, lächelte ihn überglücklich an. »Oh ja, das ist eine wunderbare Idee, Ludwig! Sie machen uns doch die Freude, nicht wahr?« Dabei strahlte sie Garoche so eindringlich an, dass der Maler gar nicht anders konnte, als zuzustimmen. Für einen Zeitpunkt noch vor der vermeintlichen Reise des Künstlers wurde deshalb eine Verabredung getroffen.
Draußen auf der Straße blickte der Maler den Gärtner durch den hohen schmiedeeisernen Zaun an. Die Hausangestellte der Winters, anscheinend die Frau des Gärtners, war zu ihm getreten und hatte ihm eine Jacke gebracht. Nun standen beide da, sahen schweigend in das Laub und der Mann legte den Arm um die Frau und streichelte ihr beruhigend über die Schulter.
Kapitel 20
In den letzten Tagen war es um Garoche sehr still geworden. Katuschke war tot, Ada war zu ihrer Mutter zurückgegangen und die letzte Möglichkeit für eine Versöhnung mit Eduard war auch vertan.
Das Haus war noch größer geworden und die eigene Unordnung ließ den Maler nur noch sein Schlafzimmer und das Atelier bewohnen.
Der Weinvorrat, den Katuschke Garoche vermacht hatte, neigte sich dem Ende zu. Das Mittagessen nahm der Maler in der ›Sonne‹ zu sich. Um diese Zeit waren Heinrich Löffel und seine Leute nicht in der Gaststätte anwesend.
Um überhaupt einmal wieder ein vernünftiges Wort mit einer menschlichen Seele zu reden, fuhr Garoche nach Berlin, um Fritz Tucher zu besuchen.
»Der Herr Künstler ist nicht zu Hause«, schüttelte Frau Lehmann den Kopf, dabei wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze trocken.
Ein Geruch nach Kochwäsche füllte den Hausflur. So sieht also das Gesicht der Frau hinter dem Türspion aus, ging Garoche durch den Kopf und dachte zurück an den ersten Besuch bei Fritz Tucher. Frau Lehmann hatte das vergebliche Klopfen an der Tür des Nachbarn gehört und war auf den Flur getreten.
»Vor drei Tagen waren zwei
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