Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Männer hier und haben den Herrn Tucher mitgenommen. Wenn Sie mich fragen«, trat Frau Lehmann einen Schritt auf Garoche zu und winkte ihn mit dem Finger etwas näher zu sich. Dann flüsterte sie: »Die haben den Herrn Tucher verhaftet. Der durfte doch nicht mehr malen. Zwei Herren in Ledermänteln haben ihn geholt.«
Wieder einmal überkam dem Maler der Gedanke sofort nach Pötzow zu fahren, sein Geld zu holen, ein paar Sachen zu packen und dann Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Noch am heutigen Tag.
Ob es die Angst vor seiner eigenen Entdeckung und eventuellen Verhaftung wegen der Kunstfälschungen oder das wachsende, abstoßende Gefühl vor diesem Land und seinen Lebensbedingungen war, konnte Garoche nicht sagen. Auch nicht, warum er trotzdem blieb. Geld genug hatte er inzwischen mit seiner Kunst verdient. Davon konnte er einige Jahre gut leben. Das meiste war bei einer Bank, in Eupen, angelegt. Eine größere Summe hatte der Maler noch in Pötzow versteckt. Er war noch nicht dazugekommen, dieses Geld zur Bank zubringen. Vielleicht war es ein Wink des Schicksals, dass er es noch zur Verfügung hatte. Eine Zugfahrkarte und Hotelkosten wollten bezahlt sein.
»Möchten Sie mir Ihren Namen geben und Ihre Anschrift? Falls Herr Tucher zurückkommt, kann er sich bei Ihnen melden.«
Dass Frau Lehmann nicht gesagt hatte ›wenn Herr Tucher zurückkommt‹, bestätigte die Annahme des Künstlers, dass der Kollege für längere Zeit nicht wieder in seine Wohnung kommen würde.
»Vielen Dank.« Gustave zog seinen Hut. »Ich melde mich wieder.« Unten, auf dem Hof, blickte Garoche am Wohnhaus hinauf. Frau Lehmann stand am Fenster und sah auf ihn herunter. Als sie bemerkte, dass er sie gesehen hatte, verschwand sie hinter der Gardine.
In der Bahn nach Pötzow blickte Garoche in einen imaginären Kalender. Ein paar Kühen, die auf einer vorbeifliegenden Wiese wiederkäuten, rief er zu: »In ein paar Tagen verlasse ich dieses Land! Spätestens nächste Woche!«
Am nächsten Morgen schlug Garoche die Augen auf und war sofort hellwach. Er wurde von einem Lärm geweckt, der aus der unteren Etage aus dem Salon zu kommen schien. Eine Sekunde darauf wurde er durch einen gezielten Faustschlag wieder in seinen Traum zurückgeschickt. Als er dann abermals erwachte, sah er in die lächelnden Augen Heinrich Löffels, der auf Garoches Bettkante saß und in einem der Zeichenblöcke des Malers blätterte.
»Na, sind wa wach? Für dit kleene Veilchen möcht ick mir entschuldijen, meene Männer sind numa manchmal etwas unjestüm.«
Garoche folgte dem Blick Löffels und konnte die Umrisse eines SA-Mannes am Kopfende seines Bettes erkennen. Grinsend nickte ein mit Aknenarben verunstaltetes Gesicht zu ihm herunter. Sein Truppführer nahm einen kleinen Spiegel vom Nachttisch und hielt ihn Garoche vor.
»So richtig schön bunt wird det erst in een paar Tagen. Grün und blau. Aber wat erzähl ick Ihnen denn, Sie sind ja schließlich der Kunstmaler. Kann man ja hier ooch sehen.« Der SA-Mann blätterte locker die Seiten des Zeichenblocks durch und verzog ab und zu den Mund zu einer Grimasse. »Na ja, seinse mir nich böse, aber unter Kunst stell ick mir wat anderet vor.« Er zeigte Garoche die Skizze eines weiblichen Aktes. Dass sie Ada darstellte, konnte Löffel nicht erkennen, die Nackte stand mit gebeugtem Rücken zum Betrachter, ihre langen Haare hingen bis auf die Erde herunter. »Is ja nur Haut und Knochen, is ja jarnischt dran.« Damit begann er seelenruhig die Seite zu zerreißen und sah Garoche dabei provozierend an.
Gustave hätte sich gern gewehrt, wurde aber durch die starken Arme des SA-Mannes am Kopfende daran gehindert, sich auf dem Bett aufzurichten.
»Bleibense ruhig, bleibense ruhig, Herr Künstler«, forderte der SA-Truppführer Garoche auf, und als errate er seine Gedanken: »Die Polizei ist schon verständigt. Die werden sich mächtig für Ihre Kunstwerke in dem Saustall da unten interessieren. Und diese hier«, Löffel nahm einen weiteren Skizzenblock Garoches in die Hand und blätterte einige Seiten um, »sind natürlich ooch nich ganz ohne! Ist der Katuschke, wenn ick mir nich irre.«
Er hatte ins Schwarze getroffen. Es war Katuschke, wie Garoche ihn am Tag seines Todes an einem Fleischerhaken gefunden hatte. Auch das zweite Bild, auf dem Wedt und Löhner Katuschke vom Seil abnahmen, zeigte Löffel dem Maler. Niewarth war am Rand dargestellt, wie er die Szene nervös beobachtete. Auf einem späteren
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