Deer Lake 02 - Engel der Schuld
der Treppe in Position gegangen und filmte nach oben. Der Effekt war dramatisch mit den Säulen des Gerichtsgebäudes im Hintergrund. Costello sah mächtig aus, seine Schultern füllten bei Nahaufnahmen den Bildschirm, sein Gesicht war so maskulin und klassisch wie eine römische Skulptur. Garrett Wright stand wie ein blasser Schatten neben ihm, der Kontrast zwischen seinem und Costellos Erscheinungsbild ließ ihn zart und kultiviert erscheinen.
Hannah starrte ihn an, als die Kamera auf sein Gesicht zoomte. Sie sah sich die Pressekonferenz auf dem Küchenfernseher an, der auf eine Ecke der Arbeitsfläche geschoben war. Die Zutaten für Lasagne waren um den Apparat verstreut. Im Wohnzimmer tanzte Lily zu einer Melodie des sprechenden Kerzenleuchters in Die Sch ö ne und das Biest.
Josh ignorierte das Video. Er saß vor dem Panoramafenster und starrte hinaus auf den See. Er hatte sich angewöhnt, seinen Rucksack im Haus umherzutragen, als hätte er das Bedürfnis, notwendige Gegenstände immer bei sich zu haben, für den Fall, daß man ihn wieder entführte. Der Rucksack stand neben seinem Hocker auf dem Boden, violett und grau und zum Bersten gefüllt mit irgendwelchen Dingen. »Dr. Garrett Wright ist ein unschuldiger Mann«, sagte Costello. »Es ist sein verfassungsmäßiges Recht, als unschuldig betrachtet zu werden.«
»Und was ist mit unseren Rechten?« murmelte Hannah.
Ellen North hatte sie angerufen, um ihr die Nachricht von der herabgesetzten Kaution beizubringen. Der neue Richter hatte nicht nur die Höhe der Kaution reduziert, er hatte Wright die Möglichkeit gegeben, sich eine Bürgschaft zu besorgen, was hieß, daß er nur zehn Prozent des tatsächlichen Betrags aufbringen mußte. Für zehntausend Dollar konnte Garrett Wright das Gefängnis verlassen. Kein Geld der Welt konnte Josh aus dem Gefängnis befreien, in das Wright seine Seele gesperrt hatte.
»Die Untersuchung von Josh Kirkwoods Entführung ist von Anfang an falsch gehandhabt worden«, fuhr Costello fort, »bis hin zur Verhaftung von Dr. Wright – der bis dahin nie als verdächtig galt. Er war nie verhört worden. Er hatte sogar seine Hilfe angeboten und war wegen seiner Fachkenntnisse konsultiert worden. Er war niemals ein Verdächtiger.«
»Wie erklären Sie sich Dr. Wrights Festnahme?« schrie ein Reporter, der nicht im Bild zu sehen war.
Costello fixierte ihn mit Adleraugen. »Dr. Wright wurde nicht festgenommen. Er wurde angegriffen. In seiner eigenen Garage, auf seinem eigenen Grundstück. So sieht die Situation in Wahrheit aus. Die Polizei von Deer Lake wollte um jeden Preis eine Verhaftung vornehmen. Chief Holt hat Samstag nacht während der Verfolgung seinen Verdächtigen aus den Augen verloren und den ersten besten geschnappt, den er erwischen konnte. Er konnte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, nachdem ihm bereits ein Verdächtiger im Gewahrsam gestorben war. Er mußte jemanden verhaften, und Dr. Wright kam ihm gerade recht. Aber Tatsache bleibt, daß es einen weit Verdächtigeren gibt, der immer noch auf freiem Fuß ist. Das hat die Entführung von Dustin Holloman bewiesen.«
»Wie steht's mit der Theorie von einem Komplizen?«
Costello sah empört aus. »Dr. Wright hat keinen Komplizen. Dr. Wright hat Kollegen und Studenten und Freunde.«
Wieder lautes Jubelgeschrei der versammelten Fans.
Hannah packte die Wut, sie schlug auf die Ausschalttaste des Geräts. Costello erstarrte mitten im Wort, dann schien die Röhre sein Bild zu verschlingen und ließ nur Leere zurück.
Sie wußte, daß der Anwalt nur seine Arbeit machte. Sie wußte, daß es Sache der Anklage war, Garrett Wrights Schuld zu beweisen. Aber es machte sie krank und wütend, Wright als Opfer dargestellt zu sehen. Josh war das Opfer. Die Mitglieder ihrer Familien waren zu Opfern geworden, ihr Leben war entzweigerissen worden.
Nicht eine Sekunde lang glaubte sie an Costellos Behauptung, daß Garrett Wright einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Costello wurde dafür bezahlt, seinen Klienten unschuldig aussehen zu lassen. Hannah kannte Mitch Holt seit dem Tag vor zwei Jahren, an dem er mit seiner Tochter nach Deer Lake gezogen war. Mitch konnte man nicht kaufen. Wenn Mitch sagte, Garrett Wright sei der Mann, dann war Garrett Wright der Mann. In der Nacht der Verhaftung war Mitch ins Haus gekommen, zerschlagen und erschöpft, und hatte ihr jede Einzelheit der Verfolgung und der Verhaftung erklärt.
Sie ließ die Szene noch einmal an
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