Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
aufzusuchen.«
Spacy erwiderte nichts und starrte stattdessen aus dem Fenster. Gerade passierten sie Cocoa Beach und Merrit Island; dann Cape Canaveral. Er erkannte den Leuchtturm an der Südspitze der Insel, das Besucherzentrum der NASA und die Transportwege der großen Raupen, auf denen die Space Shuttles knapp einen Monat vor dem jeweiligen Start zu ihren Abschussrampen gezogen wurden. Die Sicht war klar, und über den sich deutlich abzeichnenden Bee Line Expresswayführte der Blick auf Orlando, das friedlich wie ein schlafender Riese in der grünbraunen Landschaft des Südens vor sich hin schlummerte. Irgendwo da unten befand sich jetzt Tracy. Er war froh darüber, wenn es morgen zum Treffen in Washington kam. Sie führten beide ein Leben auf der Überholspur und waren wie Reisende, die sich ständig in aneinander vorbeirauschenden Zügen begegneten und zuwinkten, ohne wirklich Zeit für einander zu haben.
Aus dem Augenwinkel heraus sah er den Startkomplex 39A zwischen den sumpfigen Gründen. Aus der Luft betrachtet sah er aus wie ein achtlos vergessenes Spielzeug auf einer Wiese. Spacy ertappte sich bei dem Gedanken, sich einen Fallschirm zu schnappen, die große Frachtluke am Heck der Hercules zu öffnen, und sich zu einem Überraschungsbesuch auf Cape Canaveral in die Tiefe zu stürzen. Doch leider wartete Arbeit auf ihn und er verbrachte die restliche Zeit bis zur Ankunft in Washington damit, den lästigen Papierkram in Form eines ausführlichen Berichts zu erledigen, der heute Abend General Grant zur Vorbereitung auf das morgige Treffen mit dem Präsidenten überreicht werden musste.
Als die Lockheed C-130 auf dem Ronald Reagan Washington National Airport am westlichen Ufer des Potomac landete, waren alle Berichte verfasst, dokumentiert und zur Übergabe bereit. Die beiden Männer verabschiedeten sich von der Besatzung und wurden von einem Flughafenmitarbeiter in einem kleinen Bus zum NUSA Hangar gefahren. Dort nahm Admiral Adamski seine Autoschlüssel in Empfang und es ging zu Fuß weiter zu einem etwas abseits gelegenen Parkplatz, wo der Bugatti Veyron im neongelben Licht einer Laterne bereitgestellt worden war. Ein Logistiker der NUSA hatte stets dafür Sorge zu tragen, dass der derzeitige Lieblingswagen des Admirals durch das Land transportiert wurde und am gewünschten Zielort von Adamski stand.
»Hoffentlich haben sie ihn auch vollgetankt«, grummelte der Direktor vor sich hin, als der Wagen bei Betätigung des Funkschlüssels mit einem elektronischen Piepen die Türen öffnete. Sie verstauten ihre wenigen Sachen und fuhren die kurze Strecke hinaus nach Arlington, wo General Grant sie in seinem Haus erwartete. Es dämmerte bereits, als sie die Auffahrt des eleganten Anwesens, welches der Sicherheitsberater des Präsidenten angemietet hatte, erreichten. Arlington lag im Bundestaat Virginia, und in unmittelbarer Nähe grenzte der berühmte Nationalfriedhof an, dessen sanfte Hügel die letzte Ruhestätte vieler Persönlichkeiten waren. Präsident John F. Kennedy war hier ebenso begraben wie der Schauspieler Lee Marvin oder der Challenger-Pilot Dick Scobee. Der Veteranenfriedhof war ehemaligen Militärangehörigen vorbehalten und konnte die stattliche Anzahl von 260.000 Bestattungen seit seinem Bestehen von 1864 in den Geschichtsbüchern verzeichnen. Spacy warf einen kurzen Blick über das Gelände und sah im Hintergrund die Umrisse des Pentagon, als General Grant auf ein Klopfzeichen hin persönlich die Tür öffnete und die beiden Besucher willkommen hieß.
Er geleitete sie in einen großen Salon, an dem alte Schlachtengemälde an den Wänden hingen und sich historische Uniformen in Vitrinen aneinander reihten. Auf einem großen Schreibtisch stapelten sich Unmengen von Büchern, deren Inhalt sich überwiegend um Militärgeschichte drehte. In Glaskästen waren detailgetreue Schiffsmodelle ausgestellt. Spacy erkannte einige von ihnen auf Anhieb, andere waren ihm gänzlich unbekannt. General Grant half ihm auf die Sprünge.
»Sie kennen dieses Schiff nicht, mein lieber Mark? Es handelt sich um die USS Nevada , die ihren Stapellauf im Juli 1914 hatte. Sie diente Präsident Woodrow Wilson 1918 als Geleitschutz auf dem Weg nach Frankreich. Anschließend repräsentierte sie die Vereinigten Staaten bei der Hundertjahrfeier Brasiliens im Jahre 1922. Sie verbrachte über zehn Jahre in der Pazifikflotte, wurde in Pearl Harbor schwer zugerichtet und schleppte sich mit eigener Kraft aus der Hafeneinfahrt. Nach
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