Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
zunehmenden Seegang, und Miller konnte sich ausmalen, wie der Kapitän, ein schweigsamer und undurchdringlicher Mann, dessen ausdrucksloses Gesicht an eine kalkweiße asiatische Totenmaske erinnerte, innerlich Blut und Wasser schwitzte, weil er keinen Katastrophenstart gebrauchen konnte. Zumindest nicht an Bord, wo mehrere zehntausend Tonnen Rohöl lagerten.
Seit Miller sich des ungehorsamen Technikers entledigt hatten, war die Besatzung unter der ständigen Aufsicht des Politoffiziers ohne Unterbrechung mit der Fertigstellung des Katapults beschäftigt gewesen. Rund um die Uhr hatten die Männer in Todesangst geschuftet, um dem Schicksal eines nassen Grabs auf hoher See zu entgehen.
Hyacinth hatte sich mit den Instrumenten vertraut gemacht und einen geradlinigen Kurs errechnet, der sie mit dem letzten Tropfen Kerosin bis kurz vor das Ziel bringen würde. Die Reichweite der Maschine war durch die Zusatztanks gewährleistet, allerdings durften sie auf gar keinen Fall große Ausweichmanöver fliegen, falls sich ihnen der Feind in den Weg stellte. Alles hing von einem präzisen Timing ab, die geringste Verzögerung könnte das Aus bedeuten.
Das ganze Unternehmen steckte voller Risiken, Gefahren und Unwägbarkeiten. Als Miller seine Mitstreiter an den unterschiedlichsten Plätzen der Erde in seine Pläne eingeweiht hatte, war von Anfang an klar gewesen, warum diese Phase der Operation nur zu vergleichen war mit einem Marathonlauf durch ein Minenfeld, an dessen Ziellinie eine Bombe tickte, die nur dann nicht hoch ging, wenn man innerhalb einer knappen Frist mit verbundenen Augen das richtige von zwei unterschiedlich lackierten Kabeln durchtrennte. Es war ein Himmelfahrtskommando, an dessen Ende der Tod oder ein ruhmreiches Leben wartete.
Als er zu der schlanken Maschine hochblickte, die ebenso wie die Da Bak Sol in einem matten Schwarzton lackiert war und noch immer die Umrisse der amerikanischen Hoheitsabzeichen erkennen ließ, hellte sich seine Miene auf, da Hyacinth in diesem Moment im Cockpit den Pilotenhelm auf den Kopf setzte und im grünen Schein der Instrumente einige Schalter betätigte. Grün und Rot blitzten die Positionslichter auf, und ein leichtes Vibrieren erschütterte den Boden unter den Füßen, als die Triebwerke anliefen. Die durch einen Kran in die Führungsschiene aufgebockte Maschine lag wie ein gespannter Pfeil in einer Armbrust, dessen Ende irgendwo am Bug des Schiffs auf einen imaginären Punkt am Horizont zielte.
»Es wird Zeit, die Druckanzüge anzulegen und in unsere Suite zu steigen«, sagte Hassan und deutete auf die geöffneten Klappen, die jeweils seitlich am Rumpf der Maschine zu erkennen waren. »Nicht gerade komfortabel, aber das erwartet man von einem Sarg auch nicht.«
Es waren genau die Ausbuchtungen, die auf den Satellitenfotos der CIA und den Aufnahmen von Flying Fish festgehalten worden waren, und die für allgemeines Rätselraten bei den Analysten sowie Luft- und Raumfahrt-Ingenieuren gesorgt hatten. Das Innere unter den offenen Klappen verbarg eine schall- und kälteisolierte Mulde, in der jeweils ein Mann in liegender Position gefangen wie in einer Röhre die Zeit zwischen Start und Landung, die Phase zwischen Verschließen und Öffnen, auf sich alleine gestellt verbringen musste.
»Der Sprechfunk innerhalb der Maschine ist gecheckt, wir können die ganze Zeit frei miteinander reden. Dieser Hebel dort ermöglicht es dir, die Klappe jederzeit hydraulisch per Knopfdruck zu öffnen, sollte irgendetwas mit dem Flugzeug passieren. Wir können aussteigen, wann immer wir wollen«, erklärte Hassan ein letztes Mal ihr Transportbehältnis für die nächsten Stunden. »Den Druckanzug brauche ich dir wohl nicht noch einmal erläutern. Russisches Modell, robust, aber zuverlässig.«
»Wie könnte ich unsere Trainingssprünge in Sibirien jemals vergessen?«
»Der Unterschied zu damals ist, dass wir heute in doppelter Höhe unterwegs sind. Es dürfte noch etwas kälter als minus sechzig Grad werden. Falls wir am Ziel rausgehen.«
» Falls wir rausgehen? Zweifelst du etwa daran, wir könnten unser Ziel erreichen, Hassan?«, fragte Miller, während sich die Männer gegenseitig beim Anziehen der Druckanzüge halfen und die Instrumente überprüften.
»Wenn ich an irgendeiner Sache Zweifel habe, dann höchstens an der Belastbarkeit meines Darms. Dieses koreanische Kimchi bläht mich auf wie einen Ballon. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf etwas anderes als Kohl
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