Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Contenance verloren, war auch für ihn eine neue Erfahrung. Hier waren nun einige scharfe Hunde am Werk, die anscheinend Kapital aus der Staatskrise schlagen wollten und denen weniger an der Lösung des Problems, als vielmehr an einer sensationsheischenden Überschrift gelegen war. Es schien sich nun zu rächen, mit alten Traditionen der Bush-Administration gebrochen zu haben, die überwiegend regierungstreuen Pressevertretern auf solchen Veranstaltungen das Wort überlassen hatte.
Nach einer endlos langen Minute hellte sich seine Miene wieder auf, als er einen jungen Schwarzen mit runder Brille in den hinteren Reihen sitzen sah, der vollkommen unbeteiligt und in gewissem Maße auch eingeschüchtert wirkte. George T. Gilles winkte Condoleezza Bean zu sich ans Podest und fragte sie, wer der junge Mann, der nicht älter als sechzehn Jahre sein durfte, war.
Verdutzt schaute die Pressesprecherin zunächst auf den Jugendlichen, dann auf den Präsidenten.
»Laut meiner Liste lautet sein Name Henry Porter, Jugendredakteur einer Schülerzeitung. Hat die Akkreditierung in einer unserer PR-Gewinnspiele an den Schulen ergattert.«
»Holen Sie ihn bitte nach vorne auf die Bühne.«
»Wie bitte?«
»Ich will mit ihm reden.«
»Mr President?«
»Machen Sie schon!«
Bean machte sich auf den Weg zur hintersten Reihe. Dutzende Augenpaare hefteten sich an ihre makellosen Beine, die unter schwarzem Nylon perfekt zur Geltung kamen. Allmählich ebbte der Tumult ab und fast alle Journalisten bekamen mit, wie die dunkelhaarige Pressesprecherin den Jungen nach vorne an das Rednerpult führte. Was auch immer gerade geschah, es stellte alles auf den Kopf, was sich bisher in dem altehrwürdigen Raum zugetragen hatte. Mit einem Mal war es totenstill.
»Wie heißt du, mein Junge?«, beugte sich George T. Gilles vor. Jedes Wort war über das eingeschaltete Mikrofon glasklar zu verstehen.
»Henry Porter, Mr President«, flüsterte der junge Mann ehrfurchtsvoll.
»Okay, freut mich, dass du hier bist. Ist es dein erstes Mal? Ich habe dich bisher nämlich noch nie hier gesehen.«
Der schmächtige Porter nickte und warf einen verunsicherten Blick in den großen Raum, in dem sich mittlerweile alle Journalisten erhoben hatten und in einer Mischung aus Feindseligkeit, Neugier und zurückkehrendem Respekt für den Präsidenten die Szene beobachteten.
»Darf ich fragen, wie alt du bist und woher du kommst?«
»Ich bin vor einem Monat fünfzehn geworden und gehe in Columbia Heights auf die Cardozo High School. Ich mache dort eine Schülerzeitung, Mr President.«
»Weil du später mal Journalist werden möchtest.«
»Ehrlich gesagt, weiß ich das noch nicht. Könnte aber sein.«
»Hm«, überlegte George T. Gilles einen Moment und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. »Grundsätzlich ist das keine schlechte Entscheidung. Unser Land braucht gute Reporter. Alle die hier sitzen, sind hervorragende Journalisten. Die besten, die wir haben.«
Porter blickte den Präsidenten fragend an. Erstmals in seinem Leben stand er selber im Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Und dazu noch an einem Ort, den Zeit ihres Lebens nur die wenigsten Menschen zu Gesicht bekamen. »Sind das wirklich die besten Reporter, die wir haben, Mr President? Mir kommt das so vor, als wollten einige Sie lediglich fertigmachen.«
»Ehrlich gesagt kommt mir das auch so vor. Aber das gehört zum Amt dazu. Ich habe schon vor meiner Zeit als Präsident lange gebraucht, um zu verstehen, wie die Medien funktionieren. Mal loben sie dich in den Himmel, mal lassen sie dich fallen wie eine heiße Kartoffel. Aber sie sind ein wichtiger Bestandteil der politischen Wahrheitsfindung, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich kann mir denken, was Sie sagen wollen, Mr President. Vielleicht rede ich mich jetzt um Kopf und Kragen, weil ich irgendwann mal einen Job in deren Redaktionen haben will. Aber ich finde das alles hier ziemlich respektlos. Ich meine …« Porter zögerte und rieb sich das Kinn, als ob dadurch die treffenden Worte kommen würden. »Ich meine, Sie machen eine verdammt schlimme Zeit durch. Ihre Tochter ist da oben mit den Astronauten und dann sind da die vielen Unschuldigen in Texas. Die sollten Sie ausreden lassen. Sie sind schließlich unser Präsident.«
Unterbrochen vom Räuspern einiger Teilnehmer legte sich eine seltsam peinliche Stille über den Pressesaal. Gelegentlich war das Geräusch einer klickenden Kamera zu vernehmen. Die ungewöhnliche und
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