Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
Sie mir – und fordern Sie meinen Kopf, wenn der Plan misslingen sollte!« Dann schnappte er sich den Jungen und sagte an ihn gerichtet einen Satz, den dieser sein Leben lang nicht mehr vergessen würde.
»Henry, frage dich nicht, was dein Land für die Presse tun kann. Frage dich lieber, was die Presse für dieses Land tun kann.«
Das zweckentfremdete Kennedy-Zitat mochte ein bisschen dick aufgetragen wirken, entlockte aber den meisten Medienvertretern immerhin ein Lächeln.
Dann leerte sich der Presseraum und Henry Porter bekam zum Abschluss sein persönliches Foto mit Autogrammkarte.
»Und wenn der Artikel geschrieben ist, würde ich ihn gerne lesen. Versprochen?«
»Versprochen, Mr President. Ich finde, Sie haben Ihre Sache heute sehr gut gemacht. Von mir erfährt jedenfalls niemand, was hier gerade beschlossen wurde. Nicht einmal meine eigene Mutter.«
»Ohne dich wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr Präsident«, lachte George T. Gilles und schüttelte dem aufgeweckten Schüler zum Abschied die Hand, als dieser von einer Mitarbeiterin zum Ausgang des Westflügels gebracht wurde. Als er außer Sichtweite war, geleitete die Pressesprecherin den Präsidenten in sein Büro.
»Das mit dem Jungen war ein genialer Kunstgriff. Aber es hätte auch leicht danebengehen können.«
»Ja, das war verdammt haarscharf. Falls die Presse den Fort Knox Bluff verrät, sind die Geiseln geliefert. Hoffentlich halten die Journalisten wirklich dicht.«
»Ich denke schon«, erwiderte Bean. Da alles von der Nachrichtensperre und der Desinformation abhängt, wird sich wohl kein Journalist zum Landesverräter aufspielen. Wenn alles vorbei ist, wird es vielleicht ein Nachbeben geben. Das könnte Sie dann eventuell das Amt kosten.«
»Und wenn schon. Hauptsache, wir retten das Leben Unschuldiger«, setzte George T. Gilles einen Schlusspunkt und löste die Runde auf.
Eine Stunde später machten weltweit Meldungen die Runde, wonach die amerikanische Regierung den Forderungen der Terroristen nachgeben wollte und aus humanitären Gründen zur vollen Zahlung der fünfzig Milliarden Dollar bereit war. Der Stab des Präsidenten atmete auf und konzentrierte sich auf weitere Besprechungen und Telefonate.
Mitternacht war bereits vorbei, als George T. Gilles zusammen mit Condoleezza Bean und Außenminister Don Fletcher im Oval Office saß und eine Meldung aus Vandenberg überflog.
»Gute Nachrichten?«, wollte Fletcher wissen.
»Sehr gute sogar«, bestätigte der Präsident und nippte an einem starken Kaffee. »Spacy und Hunter haben die Rakete vor der vereinbarten Zeit startklar bekommen und den Countdown verkürzt. Sie werden bereits in wenigen Stunden, zu nachtschlafender Zeit in Kalifornien, zur ISS aufbrechen.«
»Möge uns Gott beistehen«, flüsterte Don Fletcher.
»Das wird er«, sagte der Präsident. »Es sei denn, er ist kein Demokrat.«
SECHSTES BUCH
Das Finale
KAPITEL 92
28.04., 03.34 Uhr
Vandenberg, AFB
S LC-6 war die offizielle Bezeichnung für den Startplatz, an dem sich die mächtige DELTA IV Rakete mehr als siebzig Meter senkrecht in den nachtschwarzen Himmel über dem Abschussgelände auftürmte. Flankiert wurde sie von zwei ebenso hohen Arbeitstürmen. Die Türme waren bereits vor der DELTA IV in ihre äußeren Positionen gefahren worden und standen nun wie zwei stumme und fast zerbrechlich wirkende Gerippe in einiger Distanz zu dem unheilvoll grummelnden Metallkoloss, in dessen Spitze die Independence und ihre menschliche Fracht verstaut worden war.
Die als Gegenstück zur europäischen Ariane entwickelte Nutzlastrakete hatte sich für den Hersteller Boeing zunächst als Erfolgsmodel entpuppt und der Firma volle Auftragsbücher über militärische und private Nutzlasten beschert, bevor der Markt für Satelliten nach und nach kollabiert war. Doch diese Probleme standen heute nicht im Mittelpunkt für die bis an den Rand der Erschöpfung arbeitenden Techniker in Vandenberg, die auf geheimen Befehl des Präsidenten ein absolutes Novum möglich machen sollten. Zum ersten Mal in der kurzen, aber erfolgreichen Geschichte der Rakete saßen Astronauten in ihrem Prestigeobjekt, und vom erfolgreichen Flug der DELTA IV hing der weitere Lauf der Geschichte ab. Während die Techniker der Air Force und des Raketenherstellers mit Argusaugen die letzte Phase des Countdowns überprüften, befanden sich Spacy und Hunter weit oben in schwindelerregender Höhe, gefangen in der vollummantelten Spitze des Riesen, ohne jegliche
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