Defekt
Luft
geschleudert werden, funkeln in der Sonne. Sie erschießt sämtliche Gegner in
der Kurve des toten Mannes, und zwar jeden mehr als einmal. Marino zählt fünfzehn
Schuss. Obwohl alle Zielscheiben umgefallen sind, hat sie noch einen Schuss
frei.
Marino denkt an die Frau namens Stevie und daran,
dass Lucy heute Abend mit ihr im Deuce verabredet ist. Die Telefonnummer mit
der Vorwahl 617, die sie Lucy gegeben hat, gehört einem Mann in Concord,
Massachusetts, der Doug heißt. Doug sagt, er habe sein Mobiltelefon vor ein
paar Tagen in einer Kneipe in Provincetown verloren. Er hat die Nummer nicht
sperren lassen, da das Telefon offenbar von einer Dame gefunden worden ist.
Diese hat eine der eingespeicherten Nummern angerufen und mit einem von Dougs
Freunden gesprochen, der ihr wiederum Dougs Festnetznummer gegeben hat.
Daraufhin hat sie sich bei ihm gemeldet und ihm mitgeteilt, sie habe sein
Telefon gefunden und werde es ihm zuschicken.
Bis jetzt hat sie das allerdings nicht getan.
Ein guter Trick, denkt Marino. Man findet oder
stiehlt ein Mobiltelefon und verspricht dem Besitzer, es ihm zurückzugeben.
Dann dauert es vielleicht eine Weile, bis er seine Nummer sperren lässt, und
man kann das Telefon so lange benutzen, bis er Verdacht schöpft. Jedoch
versteht Marino nicht ganz, warum sich die geheimnisvolle Stevie diese Mühe
macht. Sie könnte sich doch jederzeit eine Prepaid-Card besorgen.
Ganz gleich, wer Stevie auch sein mag, sie führt
bestimmt nichts Gutes im Schilde. Lucy lebt in letzter Zeit einfach zu gefährlich,
und zwar schon seit einem knappen Jahr. Sie hat sich verändert, ist
unaufmerksam und gleichgültig geworden, und manchmal fragt sich Marino, ob sie
vielleicht absichtlich ein Unglück herbeiführen will.
„Von hinten hat sich dir gerade wieder ein Auto
genähert“, meldet er über Funk. „Es ist aus und vorbei mit dir.“
„Ich habe nachgeladen.“
„Das gibt's doch nicht.“ Marino kann es nicht
fassen.
Irgendwie hat sie es geschafft, das leere Magazin
auszuwerfen und ein neues einzulegen, ohne dass er es bemerkt hätte.
Sie bringt das Motorrad vor dem Kontrollturm zum
Stehen. Marino legt den Kopfhörer auf die Konsole. Als er die Holztreppe
hinunterkommt, hat Lucy bereits den Helm abgesetzt und die Handschuhe
ausgezogen und öffnet den Reißverschluss ihrer Jacke.
„Wie hast du das
angestellt?“, erkundigt er sich. „Ich habe geschummelt.“
„Hätte ich mir denken
können.“
Marino blinzelt in die Sonne und fragt sich, wo
seine Sonnenbrille abgeblieben sein mag. In letzter Zeit verlegt er ständig
etwas.
„Ich hatte ein Ersatzmagazin da drin.“ Sie klopft
sich auf die Tasche.
„Ach! In einer realen Situation hättest du bestimmt
keins dabeigehabt. Also war es eigentlich Betrug.“
„Der Überlebende bestimmt die Regeln.“
„Wie denkst du über die Z-Rod? Über die Umstellung
auf Z-Rods?“, fragt er sie, obwohl ihm ihre Meinung dazu bekannt ist. Aber er
versucht es trotzdem, in der Hoffnung, dass sie es sich anders überlegen
könnte.
Es wäre unsinnig, bereits mehr als ausreichende 120
PS gegen 170 PS einzutauschen, nur damit die Maschine in 9,4 Sekunden von Null
auf 210 Stundenkilometer beschleunigen kann. Je leichter das Motorrad ist,
desto schneller wird es, aber das würde bedeuten, dass man anstelle des
Ledersitzes und des hinteren Schutzblechs geformtes Fiberglas nehmen und zudem
auf die Satteltaschen verzichten müsste, und die werden dringend gebraucht.
Marino hofft, dass Lucy nicht weiter mit dem Gedanken spielt, eine neue Flotte
von Spezialmotorrädern anzuschaffen, und wäre froh, wenn sie jetzt endlich
genug hätte.
„Unpraktisch und überflüssig“, erwidert sie zu
seinem Erstaunen. „ Der Motor einer Z-Rod hat nur eine Lebensdauer von
sechzehntausend Kilometern. Stell dir allein mal die Wartungsprobleme vor. Und
außerdem sind die Dinger zu auffällig und viel zu laut.“
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, knurrt er, als
sein Mobiltelefon läutet. „Ja“, meldet er sich mürrisch.
Er lauscht eine Weile und beendet dann die
Verbindung. „Scheiße“, sagt er und meint dann zu Lucy: „Sie haben mit der
Untersuchung des Kombi begonnen. Kannst du schon einmal ohne mich im Haus von
Mrs. Simister anfangen?“
„Keine Sorge. Ich bestelle Lex hin.“
Lucy nimmt ein Funkgerät vom Gürtel und schaltet es
ein.
„Null-Null-Eins an Stall.“
„Was kann ich für Sie tun, Null-Null-Eins?“
„Tanken Sie mein Pferd voll, ich will
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