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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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dass Laurels Kleidung nicht auf Schmauchspuren überprüft
wurde.“
    „Und seine Hände?“
    „Positiv, was Schmauchspuren angeht. Aber er hat ihn
angeblich berührt und ihn geschüttelt und sich dabei auch mit seinem Blut
beschmutzt. Das könnte theoretisch eine Erklärung sein. Noch ein paar
Einzelheiten. Die Handgelenke des Toten waren geschient, und er hatte 1,0
Promille im Blut. Laut Polizeibericht standen in der Küche einige leere
Weinflaschen herum.“
    „Können wir sicher sein, dass er allein getrunken
hat?“
    „Wir wissen so gut wie gar nichts.“
    „So kurz nach einer Operation war es doch sicher
nicht einfach für ihn, ein schweres Gewehr festzuhalten.“
    „Mag sein“, erwidert Scarpetta. „Und was macht man,
wenn man die Hände nicht benutzen kann?“
    „Man nimmt die Füße.“
    „Das ist möglich. Ich habe es mit einer Remington
Kaliber zwölf ausprobiert. Ungeladen“, fügt sie hinzu, um die Situation
aufzulockern.
    Sie hat es allein versucht, weil Marino sie versetzt
und auch nicht angerufen hat. Offenbar ist ihm alles gleichgültig.
    „Ich habe keine Fotos von diesem Selbstversuch“,
sagt sie und verschweigt diplomatisch, dass der Grund dafür ebenfalls in
Marinos Nichterscheinen liegt. „Jedenfalls wäre die Waffe durch den Rückstoß
weggeschleudert worden. Vielleicht hat ja auch sein Fuß gezuckt, und das Gewehr
fiel deshalb hinter das Sofa. Vorausgesetzt, dass es Selbstmord war. Übrigens
weist keine seiner großen Zehen Schürfwunden auf.“
    „Eine Kontaktwunde?“, fragt Vince.
    „Die Rußkonzentration auf seinem Hemd, der
abgewetzte Rand sowie Durchmesser und Form der Wunde, die Abwesenheit von
Auffächerungen des Bodenpfropfens, der noch in der Leiche steckte, das alles
weist auf eine Kontaktwunde hin. Das Problem ist nur eine gewaltige Abweichung,
die meiner Ansicht nach darauf zurückzuführen ist, dass sich der Pathologe bei
der Bestimmung der Entfernung auf einen Radiologen verlassen hat.“
    „Wessen Fall ist es denn?“
    „Dr. Bronsons“, erwidert sie, und einige im
Kollegium stöhnen auf.
    „Mein Gott, der ist ja so alt wie der Papst. Wann
geht der nur endlich in Rente?“
    „Der Papst ist kürzlich
gestorben“, witzelt Joe. „Danke für die Information.“
    „Nach Auffassung des Radiologen wurde die
Schusswunde dem Opfer - ich zitiere - aus einiger Entfernung zugefügt“, fährt
Scarpetta fort. „Und zwar aus einem Abstand von mindestens einem Meter. Also
haben wir es jetzt doch mit einem Mord zu tun, da es unmöglich ist, sich einen
Gewehrlauf einen Meter von der Brust abzuhalten, richtig?“
    Einige Mausklicks, und eine digitale Röntgenaufnahme
der für Johnny Swift tödlichen Schussverletzung erscheint auf der
Projektionswand. Schrotkugeln, die an einen Schwarm winziger weißer Bläschen
erinnern, schweben durch geisterhaft bleiche Rippen.
    „Die Schrotkugeln haben sich verteilt“, erklärt
Scarpetta, „und um den Radiologen nicht schlecht zu machen, deutet die
Verteilung der Kugeln im Brustraum tatsächlich auf einen Abstand von einem
Meter bis ein Meter dreißig hin. Doch meiner Auffassung nach haben wir es hier
mit einem klassischen Fall von Billardkugel-Effekt zu tun.“
    Sie lässt die Projektion der Röntgenaufnahme
verschwinden und greift zu einigen verschiedenfarbigen Stiften.
    „Die ersten Kugeln wurden beim Eindringen in den
Körper langsamer. Daraufhin wurden sie von nachfolgenden Kugeln getroffen.
Durch die Kollision wurden sie von ihrer Bahn abgelenkt und verteilten sich
nach einem Muster, das an einen Schuss aus größerer Entfernung denken lässt“,
erläutert sie und zeichnet rote abprallende Kugeln, die blaue Kugeln treffen
wie Billardkugeln. „Auf diese Weise wird ein Schuss aus größerer Entfernung
simuliert, obwohl er aus nächster Nähe abgegeben wurde und sogar eine Kontaktwunde
vorliegt.“
    „Hat keiner der Nachbarn den Schuss gehört?“
    „Offenbar nicht.“
    „Vielleicht waren die meisten von ihnen am Strand
oder über das Thanksgiving-Wochenende weggefahren.“
    „Kann sein.“
    „Was für ein Gewehr war es denn, und wem gehört es?“
    „Wir wissen nur, dass es sich um ein Schrotgewehr
Kaliber zwölf gehandelt hat“, antwortet Scarpetta. „Offenbar ist es vor
Eintreffen der Polizei verschwunden.“
     
    18
     
    Ev Christian ist wach und sitzt auf einer Matratze
mit schwarzen Flecken. Sie glaubt inzwischen, dass es sich bei den Flecken um
angetrocknetes Blut handelt.
    Auf dem schmutzigen Boden in dem

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