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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Haus
eindrang.
    Gib mir die Brille, sagte er. Ein bisschen plötzlich.
    Wie gelähmt stand sie in der Küche. Vor lauter Angst
und Entsetzen konnte sie sich weder rühren noch einen klaren Gedanken fassen,
und sie fühlte sich, als sacke schlagartig alles Blut aus ihrem Körper. Das
Olivenöl in der Pfanne auf dem Herd fing an zu qualmen, die Jungen begannen zu
weinen. Er richtete seine Waffe auf sie und zielte im nächsten Moment auf
Kristin. Als Tony ihm die Hintertür öffnete, trug er seine Kapuze und die
schwarze Kleidung. Dann ging alles ganz schnell.
    Gib mir die Brille.
    Gib sie ihm, flehte Kristin. Bitte tun Sie uns nichts. Nehmen Sie, was Sie wollen.
    Maul halten, sonst lege ich euch
alle um.
    Er befahl den Jungen, sich bäuchlings auf den
Wohnzimmerboden zu legen, und versetzte ihnen mit dem Gewehrkolben einen
heftigen Schlag auf den Hinterkopf, damit sie nicht davonlaufen konnten. Dann
knipste er alle Lichter aus und wies Kristin und Ev an, die schlaffen Körper
der Jungen den Flur entlang und durch die Schiebetüren des Schlafzimmers zu
tragen. Blut tropfte und verteilte sich auf dem Fußboden, und sie denkt immer
wieder, dass die Flecken doch hätten bemerkt werden müssen. Inzwischen ist
bestimmt jemand im Haus gewesen und fragt sich, was aus ihnen geworden ist. Und
sicher hat derjenige auch das Blut gesehen. Wo bleibt nur die Polizei?
    Die Jungen lagen reglos auf dem Rasen neben dem
Pool, als er sie mit Telefonkabeln fesselte und mit Geschirrtüchern knebelte,
obwohl sie sich weder rührten noch einen Mucks von sich gaben. Dann zwang er
Kristin und Ev, durch die Dunkelheit zum Kombi zu gehen.
    Ev musste fahren.
    Kristin saß auf dem Beifahrersitz, während er sie
von hinten mit der Waffe bedrohte.
    In eiskaltem und ruhigem Ton gab er Ev Anweisungen.
    Ich bringe euch weg, und dann
gehe ich sie holen, verkündete
seine Stimme ungerührt, als sie losfuhr.
    Rufen Sie bitte jemanden an, flehte Kristin. Sie gehören in ein Krankenhaus. Bitte lassen Sie sie nicht
einfach sterben. Sie sind doch noch Kinder.
    Ich sagte, ich würde sie holen.
    Sie brauchen Hilfe. Es sind doch
nur kleine Jungen. Waisenkinder. Beide Eltern sind tot.
    Seine Stimme war gefühllos, monoton und frei von
jeglicher menschlichen Regung. Eine Stimme ohne Mitleid oder persönliche Note.
    Sie erinnert sich an die Wegweiser nach Naples. Also
fuhren sie nach Westen in Richtung Everglades.
    Ohne Brille kann ich nicht
fahren, beschwerte sich Ev, und ihr Herz
klopfte so heftig, dass sie befürchtete, ihr Brustkorb könnte zerspringen. Sie
bekam kaum noch Luft. Als sie von der Straße abkam, gab er ihr endlich die
Brille zurück, aber er nahm sie ihr wieder weg, nachdem sie das finstere
Höllenloch erreicht hatten, wo sie seitdem gefangen ist.
    Scarpetta besprüht die Wand aus Betonblöcken in der
Toilette. Ein Muster aus Schmierern und Spritzern, unsichtbar, wenn das Licht
brennt, leuchtet auf.
    „Jemand hat hier geputzt“, sagt Lucy in die
Dunkelheit hinein.
    „Ich höre jetzt auf. Schließlich will ich die Spuren
nicht zerstören, falls es sich wirklich um Blut handelt. Hast du alles auf
Film?“
    „Gut.“ Sie macht Licht.
    Scarpetta holt ein Blut-Untersuchungsset heraus und
betupft einige Stellen an der Wand, die auf das Luminol reagiert haben. Mit dem
Wattestäbchen fährt sie in die Löcher im porösen Beton, wo sich - selbst nach
einer Putzaktion - möglicherweise weiteres Blut befindet. Mit einer Pipette
träufelt sie ihr Chemikaliengebräu auf ein Wattestäbchen, das sich hellrosa
verfärbt, was ihr bestätigt, dass es sich bei den Leuchtspuren an der Wand um
Blut handeln könnte, vermutlich um das eines Menschen. Doch Genaueres wird erst
das Labor sagen können.
    Wenn es wirklich Blut ist, würde es Scarpetta nicht
überraschen, wenn es bereits zweieinhalb Jahre alt wäre. Luminol reagiert auf
das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen. Je älter das Blut ist, desto mehr
oxidiert es und desto stärker fällt die Reaktion aus. Sie betupft weitere
Stellen mit destilliertem Wasser, nimmt Proben und verstaut sie in
Asservatenbehältern, die sie beschriftet, mit Klebeband versiegelt und mit
ihren Initialen abzeichnet.
    Nachdem Lucy und sie eine Stunde so weitergearbeitet
haben, schwitzen sie in ihrer Schutzkleidung. Sie hören, wie Larry auf der
anderen Seite der Tür in seinem Laden auf und ab geht. Gelegentlich läutet das
Telefon.
    Sie kehren in den Lagerraum zurück, wo Lucy eine
stabile schwarze Tragebox öffnet und eine

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