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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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können. Ich wollte dich
nicht stören.“
    „Und ich hätte dich genau darum bitten können.
Niemand hat mich gezwungen, heute Abend deine Komplizin zu sein.“
    Beide sind müde und nicht zum Scherzen aufgelegt.
    „Und jetzt sind wir hier“, sagt Lucy. „Vielleicht
habe ich die Gelegenheit ja nutzen wollen, um mit dir zu reden. Ich hätte Lex
anrufen können“, wiederholt sie dann und starrt beim Fahren geradeaus auf die
Straße.
    „Ich bin mir nicht sicher, ob du dich nicht über
mich lustig machen willst.“
    „Will ich nicht.“ Ernst blickt Lucy sie an. „Ich
bereue eine ganze Menge.“
    „Das solltest du auch.“
    „Du hättest mir ruhig widersprechen können.
Eigentlich hast du nur sehr wenig Ahnung von meinem Leben.“
    „Das Problem ist, dass ich gern mehr darüber wüsste.
Aber du schließt mich dauernd aus.“
    „Tante Kay, es ist besser, wenn du so wenig wie
möglich weißt. Bist du je auf den Gedanken gekommen, dass ich dir damit einen
Gefallen tue? Du solltest dich mit der Lucy zufrieden geben, die du kennst, und
mich ansonsten in Ruhe lassen.“
    „Was meinst du mit ansonsten?“
    „Ich bin nicht so wie du.“
    „In den wichtigen Dingen bist du es, Lucy. Wir sind
beide intelligente, rechtschaffene und fleißige Frauen. Wir versuchen, etwas zu
bewirken. Wir gehen Risiken ein. Wir sind ehrlich. Wir geben uns große Mühe.“
    „Ich bin nicht so rechtschaffen, wie du glaubst.
Ständig verletze ich andere Menschen. Offenbar habe ich ein Talent dafür, und
es wird immer schlimmer. Und mit jedem Mal berührt es mich weniger. Vielleicht
verwandle ich mich ja in einen Basil Jenrette. Benton sollte mich in seine
Studie aufnehmen. Ich wette, mein Gehirn sieht aus wie das von Basil und all
den anderen gottverdammten Psychopathen.“
    „Ich verstehe nicht, was mit dir los ist“, sagt
Scarpetta leise.
    „Bestimmt ist es Blut“, macht Lucy wieder einmal
einen ihrer plötzlichen Gedankensprünge, bei denen sie so abrupt das Thema
wechselt, dass man erschrickt. „Offenbar sagt Basil die Wahrheit. Er hat die
Frau im Hinterzimmer ihres Ladens getötet. Ich habe den Verdacht, dass es sich
bei den Spuren, die wir dort gefunden haben, um Blut handelt.“
    „Warten wir die Laborergebnisse ab.“
    „Der ganze Boden hat aufgeleuchtet. Das war
komisch.“
    „Welchen Grund hat Basil, ausgerechnet jetzt damit
herauszurücken? Warum schüttet er Benton sein Herz aus?“, gibt Scarpetta zu
bedenken. „Etwas daran stört mich und macht mir sogar Sorgen.“
    „Diese Leute haben immer einen Grund. Für sie ist
alles nur ein Spiel.“
    „Es macht mir trotzdem Sorgen.“
    „Er redet, um sich Vorteile zu verschaffen, oder
auch, weil es ihm einfach Spaß macht. Vielleicht hat er die Geschichte auch nur
erfunden.“
    „Er könnte von den Vermissten aus dem Christmas Shop
gehört haben. Schließlich stand es in der Zeitung, und er war Polizist in
Miami. Möglicherweise hat er es von Kollegen erfahren“, schlägt Scarpetta vor.
    Je länger sie darüber sprechen, desto mehr
befürchtet sie, Basil könnte tatsächlich etwas mit dem Schicksal von Florrie
und Helen Quincy zu tun haben. Allerdings kann sie sich nicht vorstellen, wie
er die Mutter im Hinterzimmer des Ladens vergewaltigt und getötet hat. Wie
konnte er ihre blutige Leiche wegschaffen - oder die beiden Leichen,
vorausgesetzt, dass er Helen ebenfalls ermordet hat.
    „Ich weiß“, sagt Lucy. „Ich finde es auch nicht sehr
glaubhaft. Warum hat er, falls er wirklich der Täter ist, die Leichen nicht
einfach liegen gelassen? Außer, er wollte den Mord vertuschen und dafür
sorgen, dass man die Opfer für vermisst hält. Damit man denkt, sie hätten sich
freiwillig auf und davon gemacht.“
    „Und das weist für mich auf ein Motiv hin“, erwidert
Scarpetta. „Nicht auf das Verbrechen eines Triebtäters.“
    „Ich habe ganz vergessen, dich zu fragen“, sagt
Lucy. „Aber ich nehme an, wir fahren zu dir.“
    „Um diese Uhrzeit schon.“
    „Und was ist mit Boston?“
    „Wir müssen uns zuerst den Tatort des Mordes an Mrs.
Simister ansehen, und das ist mir jetzt zu viel. Mir reicht es für heute. Reba
geht es vermutlich genauso.“
    „Ich nehme an, dass sie uns ins Haus lässt.“
    „Nur wenn sie selbst dabei ist. Wir erledigen das
morgen früh. Allmählich überlege ich, ob ich Boston absagen soll, aber das wäre
nicht fair Benton gegenüber. Nicht gut für uns beide.“ Sie kann nicht
verhindern, dass man ihr Ärger und Enttäuschung anhört.

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