Defekt
nicht entschuldigen. Sie hat nichts verbrochen.
Wenn sie sagt, dass es ihr Leid tut, wird er sie töten. Da ist sie ganz sicher.
„Sag, dass es dir Leid tut“, beharrt er.
Sie weigert sich, den Satz auszusprechen.
Er befiehlt ihr, sich zu entschuldigen, aber sie
sträubt sich. Stattdessen predigt sie und plappert dummes Zeug über ihren schwachen
Gott. Wenn ihr Gott wirklich Macht hätte, würde sie nicht auf dieser Matratze
sitzen.
„Wir können so tun, als wäre es nie passiert“,
schlägt sie mit ihrer heiseren, fordernden Stimme vor.
Er spürt ihre Angst. Er verlangt, dass sie sagt, es
täte ihr Leid. Ganz gleich, welche Vorträge sie ihm auch halten mag, sie hat
Angst. Sie fürchtet sich vor der Spinne, und ihre Beine auf der Matratze
zittern.
„Gott wird Ihnen vergeben, Gott wird Ihnen vergeben,
wenn Sie bereuen und uns freilassen. Ich werde der Polizei nichts verraten.“
„Nein, das wirst du nicht. Niemals. Menschen, die
reden, werden bestraft, und zwar auf eine Art und Weise, die du dir gar nicht
vorstellen kannst. Ihre Zähne können einen Finger durchbohren. Auch den
Fingernagel“, sagt er dann über die Spinne. „Manche Taranteln beißen auch
mehrfach.“
Die Spinne berührt fast Evs Gesicht, Ev schnappt
unwillkürlich nach Luft und zuckt zurück.
„Sie schlagen immer wieder zu und hören erst auf,
wenn man sie abreißt. Falls sie eine wichtige Arterie erwischen, stirbt man.
Sie können einem auch ihre Haare in die Augen schleudern, dass man blind wird.
Das ist sehr schmerzhaft. Sag, dass es dir Leid tut.“
Hog hat ihr befohlen zu sagen, es täte ihr Leid. Er
sieht, wie die Tür zufällt. Das alte Holz mit der abblätternden Farbe, die Matratze
auf dem schmutzigen Bretterboden. Dann das Geräusch der grabenden Schaufel,
weil er sie angewiesen hat, nichts zu verraten, nachdem er das Böse getan
hatte. Er hat ihr erklärt, dass Menschen, die reden, von Gott bestraft werden,
und zwar auf unbeschreibliche Weise und so lange, bis sie ihre Lektion gelernt
haben.
„Bitten Sie um Vergebung. Gott wird Ihnen vergeben.“
„Sag, dass es dir Leid tut!“ Als er ihr in die Augen
leuchtet, kneift sie sie zu und wendet das Gesicht ab. Aber sein Lichtstrahl
folgt ihr.
Sie wird nicht weinen.
Als er das Böse getan hat, hat sie geweint. Aber er
hat ihr erklärt, sie würde erst richtig Grund zum Weinen bekommen, wenn sie
etwas verriete. Da hat sie endlich gehorcht. Sie hat geredet, und Hog hatte
keine andere Wahl, als zu gestehen, weil es stimmte. Er hat das Böse getan, und
Hogs Mutter hat kein Wort davon geglaubt. Sie sagte, das sei doch gar nicht
möglich. Hog sei offenbar krank und litte an Wahnvorstellungen.
Es war kalt und schneite. Noch nie hatte er so ein
Wetter erlebt; er kannte es nur aus dem Fernsehen und aus Filmen, hatte es aber
niemals am eigenen Leib gespürt. Er erinnert sich an alte Backsteingebäude, die
er auf der Fahrt durch das Autofenster sah, und an das kleine Vorzimmer, wo er mit
seiner Mutter auf den Arzt wartete. Es war sehr hell, und auf einem Stuhl saß
ein Mann, der die Lippen bewegte, die Augen verdrehte und mit jemandem ein
Gespräch führte, der gar nicht anwesend war.
Dann ging seine Mutter, um mit dem Arzt zu reden,
und ließ ihn allein in dem Vorzimmer zurück. Sie erzählte dem Arzt von dem
Bösen, das Hog seinen eigenen Worten nach getan hatte, was aber nicht wahr sei.
Er sei sehr krank, die Angelegenheit sei vertraulich, und sie wolle nur, dass
Hog gesund würde, anstatt herumzulaufen und solche Geschichten zu verbreiten,
denn mit seinen Lügen schade er dem guten Ruf der Familie.
Sie glaubte nicht, dass er das Böse wirklich getan
hatte.
Zuvor hatte sie Hog erklärt, was sie dem Arzt sagen
wollte. Du fühlst dich
nicht wohl, sagte sie zu Hog. Dagegen kannst du nichts tun. Du
bildest dir Dinge ein und lügst und lässt dich leicht beeinflussen. Ich werde
für dich beten. Am besten betest du auch und bittest Gott, dir zu verzeihen.
Entschuldige dich dafür, dass du Menschen wehgetan hast, die immer nur gut zu
dir gewesen sind. Ich weiß zwar, dass du krank bist, aber du solltest dich
trotzdem schämen.
„Ich werde sie jetzt auf dich setzen“, sagt Hog und
hält die Lampe dichter an Ev heran. „Wenn du ihr wehtust so wie sie“, er stößt
ihr den Gewehrlauf gegen die Stirn, „wirst du erfahren, was das Wort Strafe
wirklich bedeutet.“
„Sie sollten sich schämen.“
„Ich habe dir doch verboten, das zu sagen.“
Er stößt ihr den Gewehrlauf
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