Deichgrab
Stuhl, auf dem zuvor Marlies gesessen hatte und griff nach seiner Hand. Er öffnete die Augen, ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Marlies«, flüsterte er leise.
Sie schluckte. So hatte er sie schon eine Ewigkeit nicht mehr angesehen. Sie versuchte ebenfalls zu lächeln.
»Ja, Liebster. Ich bin hier.«
»Soll ich dich irgendwo absetzen?«, fragte Tom, als sie das Dorf wieder erreicht hatten. »Vielleicht bei Max? Da kannst du noch eine Kleinigkeit essen.«
»Ich bin zwar noch satt von den vielen Pralinen, aber das ein oder andere Bier kann ich sicherlich vertragen. Nur wie komm ich später ins Haus? Dein Rendezvous wird ja sicherlich nicht nach einer Stunde erledigt sein, oder?«
Er ging auf die Bemerkung gar nicht ein, sondern stoppte den Wagen vor der kleinen Gastwirtschaft.
»Den Schlüssel findest du hinter dem alten Vogelhäuschen an der Birke im Garten. Wenn du schlafen gehst, lass das Fenster im Badezimmer gekippt und leg den Schlüssel in den Spalt. Aber nicht vergessen, sonst muss ich dich aus dem Bett klingeln!«
»Viel Spaß!«, sagte Haie und stieg aus. Er ging den kleinen Hügel zur Gastwirtschaft hinauf. Tom schaute ihm kurz hinterher und fuhr weiter.
Zu Hause duschte er erst einmal ausgiebig. Aber als er sich abtrocknete, hatte er immer noch den Geruch des Schweinestalls in der Nase. Er legte kräftig Aftershave auf und zog sich frische Sachen an. Anschließend schrieb er Haie einen Merkzettel wegen des Schlüssels, den er an der Tür zum Wohnzimmer befestigte und verließ gutgelaunt das Haus. Den Schlüssel hängte er wie vereinbart hinter das verwitterte Vogelhäuschen.
Das kleine Restaurant lag direkt gegenüber vom alten Kino. Neben dem Schriftzug ›Wattwurm‹ tummelte sich ein gestreifter, grinsender Wurm auf der Leuchtreklame.
Er war viel zu früh da, hoffte aber, Marlene würde vielleicht ebenfalls schon dort sein. Schwungvoll öffnete er die schwere Eingangstür und trat in den kleinen Vorraum.
Durch ein kleines Fenster in einer weiteren Tür blickte er ins Innere des Restaurants. Vereinzelt saßen Leute an einigen der Tische. Marlene konnte er nicht sehen. Er öffnete die zweite Tür und trat ein. Augenblicklich waren alle Augen auf ihn gerichtet.
Etwas unsicher machte er eine Runde durchs Lokal, aber auch an den hinteren Tischen, die von der Tür nicht einzusehen waren, saß Marlene nicht. Er wollte zunächst ein Bier an der Bar trinken und später einen Tisch gemeinsam mit ihr auszuwählen.
An der klobigen, braunen Theke bestellte er ein Bier.
Während er auf seine Bestellung wartete, schaute er sich den Gastraum etwas genauer an. Alles war stilvoll eingerichtet. Einzelne Tische waren in kleinen Nischen versteckt. Überall brannten bereits Kerzen und verbreiteten ein angenehm warmes Licht. Die Bedienung stellte das Bier vor ihm auf den Tresen. Er blickte auf seine Uhr. Es war kurz vor acht Uhr.
Die Tür öffnete sich, sein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Doch es war nicht Marlene, sondern eine Gruppe Jugendlicher, die zielstrebig auf einen der Tische zusteuerte.
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und überlegte, ob es sinnvoll wäre, das Handy aus dem Auto zu holen. Eigentlich hatte er es absichtlich im Wagen liegen lassen. Nicht dass Monika anrief, während er mit Marlene essen war. Was aber, wenn Marlene gerade in diesem Moment versuchte ihn zu erreichen? Vielleicht war sie verhindert und musste ihr Treffen absagen?
›Ach‹, dachte er, ›was sollte schon dazwischen gekommen sein?‹
Es war bereits Viertel nach acht. Er wollte gerade noch ein weiteres Glas Bier bestellen, als ihn ein Lufthauch streifte, der durch das Öffnen der Tür entstanden war. Mit klopfendem Herzen drehte er sich zur Tür. Marlene betrat das Restaurant und blieb kurz im Eingang stehen. Kaum hatten sich ihre Augen an die schummrige Beleuchtung gewöhnt, erblickte sie ihn und kam lächelnd näher.
›Wie hübsch sie ist‹, dachte er, ›beinah überirdisch.‹
Sie trug ein pastellfarbenes Top und eine weiße Leinenhose. Ihr langes, blondes Haar fiel offen über ihre Schultern. Sie begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange.
»Wartest du schon lange?«
»Nein, ich bin auch gerade erst gekommen.«
Sie wählten einen Tisch in einer der Nischen, der Kellner brachte ihnen sofort die Speisekarte. Während Marlene schon eifrig in der Karte las, blickte er sie über den Tisch hinweg an. Als sie nach einer Weile aufsah, senkte er verlegen seinen Blick in die Karte. Er
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