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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Aquavit in der Hand, um nicht so allein zu sein. Aber ich wagte es nicht, sie zu öffnen. Es würde ein hektischer Montag werden.
    Gegen ein Uhr klingelte das Telefon. Es war Beate, und sie war auf Hundertachtzig. »Varg? Hier ist Beate. Ich verbitte mir, dass du meinen Babysitter anrufst, wenn du betrunken bist!«
    »Aber ich …«
    »Du machst mich total lächerlich. Es reicht, wie du dich aufgeführt hast, als wir noch verheiratet waren und dass wir es überhaupt aushalten, in der gleichen Stadt wie du zu leben. Was glaubst du eigentlich, was Thomas denkt, wenn sein Vater so was Lächerliches ist wie Privatdetektiv, der sogar anruft und die Babysitterin mit seinem besoffenen Gerede schikaniert. Wenn sich das auch nur ein einziges Mal wiederholt, Varg, dann hörst du nicht von mir, sondern von meinem Anwalt.« Dann knallte sie den Hörer auf.
    »Hallo? Hallo?«, sagte ich zum Summton, nur um überhaupt etwas gesagt zu haben.
    Ich hätte natürlich zurückrufen können – versuchen, ihr die Situation zu erklären. Aber ich kannte sie, wenn sie auf Hundertachtzig war. Das würde zu viel Kraft kosten. Und ich war viel zu müde dafür.
    Ich fand im Küchenschrank eine Dose Fleischklöße in brauner Soße und im Kühlschrank eine grüne Paprika, die schon etwas verschrumpelt war. Ich hackte die Paprika klein und machte eine Art Eintopf daraus. Kartoffeln zu kochen war mir zu anstrengend, also aß ich trockenes Brot dazu. Ich goss mir ein Glas Rotwein aus einer halb vollen Flasche ein, trank aber nur einen Schluck davon. Das reichte, um mir bis spät in die Nacht Kopfschmerzen zu bescheren.
    Um mich herum welkten die Stunden langsam dahin. Eine neue Nacht holte die Stadt ein, ein weiterer Tag wurde weggewischt.
    Ich saß allein vor dem Fernseher, der Bilder von Schlittschuh­läufern zeigte, die auf einer russischen Hochgebirgs­bahn Weltrekorde liefen. Ich dachte an Joker. Ich dachte intensiver an Joker, als ich seit langer Zeit an einen anderen Menschen gedacht hatte. Und ich sagte zu mir selbst: Nächstes Mal, Joker – nächstes Mal … Dann werde ich die Karten mischen. Und dann, Joker, dann wirst du hinterher ganz schön gezinkt sein.
    Am Sonntag Abend ging ich gegen zehn Uhr ins Bett und schlief wie ein Stein bis elf Uhr am Montag Vormittag.
    Es ist etwas Merkwürdiges, am Montagmorgen aufzuwachen. Montag ist für manche ein Tag zum Sterben. Und gerade an diesem Montag lag eine eigentümliche Atmosphäre von Tod in der Luft, als hätte ein dunkler Engel in der Nacht seine schwarzen Flügel über der Stadt ausgebreitet und sich ein Opfer ausgewählt …

41
    Ich versuchte, Paulus Smith anzurufen, aber ich kam nur bis zu seiner Sekretärin. Smith habe im Untersuchungsgericht zu tun, erzählte sie mir.
    Ich sagte: »Richten Sie Smith aus, dass ich angerufen habe. Sagen Sie ihm, dass ich nichts gefunden habe, das uns weiterhilft. Noch nicht. Erzählen Sie ihm, dass ich gegangen bin, um noch einmal mit Wenche Andresen zu sprechen, und dass ich ein paar neue Fragen an sie habe. Haben Sie das?«
    Sie hatte es. Ich bedankte mich für das Gespräch, legte auf und trat in den Montag hinaus.
     
    Es war noch einer dieser grauen Tage. Regen lag in der Luft, als hielte das Unwetter die Luft an, als wartete alles nur darauf, dass die Wolken sich über uns öffneten und ihn los ließen, den Regen, von dem wir wussten, dass er kommen würde, irgendwann im Laufe des Tages.
    Es war nach zwölf Uhr, und es war richtig März geworden. Das Licht war klarer, und die Sonne hing höher hinter den Wolken. Obwohl es ein grauer Tag war, lag ein anderer Schimmer über der Stadt als im Februar.
    Der Februar ist ein kurzbeiniger Mann irgendwo im Wald, mit Raureif im Bart, die Strickmütze tief in die Stirn gezogen und tief liegenden, winterblassen Augen in einem breiten, kräftigen Gesicht.
    Der März ist eine Frau. Eine Frau, die gerade am Morgen erwacht ist, sich im Bett herumdreht, wenn die Sonne auf ihr Gesicht trifft, und die dich mit noch verschlafener Stimme fragt: Ist es schon Morgen?
    Ja, es war Morgen. Nicht nur das Licht war anders, sondern auch die Temperatur, der Widerschein von den Hausdächern, der kalte Wind, der von Nordwest hereinzog, Mildwetterspros­sen im Gepäck, eine Frau, die auf dem Gehsteig an dir vorbeiging, sich an den Hals griff und das Halstuch eine Ahnung lockerte, der Schatten in ihrer Halsgrube.
    Doch, es war Morgen, und es war März.
     
    Dieses Mal durfte ich Wenche Andresen nicht in der Zelle besuchen. Ich

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