Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
wirklich, Varg? Danke, vielen Dank! Ich werde bezahlen. Wie viel kostest du eigentlich?«
    Wie viel ich kostete? Oh, ich bin eine billige Hure, meine Liebe. Ich koste nicht viel. Einen Kuss auf die Wange und vielleicht einen auf den Mund, einen Blick unter den Pony, leicht von der Seite, und ein Zeigefinger an meinem Mund entlang, bis dahin, wo die Bartstoppeln in die Lippen übergehen und umgekehrt. Ich koste nicht viel. »Kümmer dich nicht darum«, sagte ich. »Ich mache es in der Mittagspause.«
    »Aber ich will nicht, dass du dabei – draufzahlst.«
    Nein? Nein!?! »Dann lass uns – ein andermal darüber reden.« Bei Kerzenschein und einem Glas Wein, Liebste, im Licht des glasklaren Mondes, unter dem Silberregen der Sterne, auf einem Segelboot in China … ein andermal.
    »Na gut. Weißt du, wo er arbeitet? Hab ich es dir erzählt?«
    »In irgendeiner Werbeagentur, oder?«
    »Genau. Sie heißt Pallas, und sie haben ihr Büro draußen in Dreggen, im gleichen Haus wie das Weinmonopol.«
    »Ich weiß, wo es ist. Sie kennen mich dort. Wir duzen uns sogar.«
    »Ich …« begann sie, und ich hatte Angst, sie wollte mich doch wieder abbestellen und wechselte rasch das Thema.
    »Es ist in Ordnung«, sagte ich. »Ich werde mit ihm sprechen. Dann sehen wir weiter. Ich werde dir Bericht erstatten.« Ich holte tief Luft und sagte: »Soll ich vielleicht – heute Abend vorbeischauen?«
    Kurze Stille. Dann sagte sie: »Kannst du nicht lieber anrufen? Ich – kann leider heute Abend nicht.«
    Nein? Der Mond verdunkelte sich, der Silberregen der Sterne war nur Tand, und das Segelboot in China war auf Grund gelaufen. Ich sagte: »Ist okay. Du hörst von mir. Mach’s gut.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, sie zu bitten, Roar zu grüßen. Aber ich rief nicht noch einmal an. Ich würde mich beim nächsten Mal daran erinnern.
    Die Büroflasche stand noch immer auf dem Tisch, aber sie reizte mich nicht mehr. Sie sah sogar ziemlich unappetitlich aus mit ihrem grellen Etikett und den Rissen im Lack. Ich schraubte den Deckel fest zu und warf sie unwillig wieder in die Schublade.
    Dann sah ich mich um, mit einem dumpfen Gefühl von Unbehagen im Bauch. »Verdammte, verstaubte Bruchbude …« sagte ich laut zu mir selbst, damit ich es auch hörte.
    Dann verließ ich den Raum, ohne das Licht auszuschalten. Vielleicht sähe es freundlicher aus, wenn ich zurückkam. Als wäre jemand zu Hause.
    Wenn ich jemals zurückkam. Man konnte nie wissen. Ein schnelles Auto – draußen in Dreggen, am Zebrastreifen. Man ist niemals sicher, schon gar nicht auf Zebrastreifen. Dort sind wir leichter zu treffen.

17
    Ich wanderte über den Marktplatz und entlang Bryggen. Auf dem Fischmarkt war es für Touristen noch zu früh in der Saison, und die lebenden Fische schwammen anonym in ihren Wannen herum. Die Markthändler klopften sich die Arme warm, die in großen, roten Pranken endeten, und Hausfrauen gingen von Stand zu Stand mit misstrauischen Blicken, als glaubten sie nicht, dass die Fische, die dort lagen, echt seien.
    Draußen auf Bryggen verschlang ein roter Lastwagen eine Palette nach der anderen und trug sie durch die offenen, grünen Türen eines Hafenlagers. Er erinnerte an eine hamsternde Ratte.
    Hinter einer Ecke stand der altbekannte Alki und stützte die Hauswand ab. Mit einer fast leeren Flasche in der Jackentasche schielte er allen hinterher, die vorbei gingen. Er gehörte zum Inventar. Auf seine Weise war auch er eine Touristenattraktion, ein wichtiger Teil des Stadtbildes, ein Teil des Milieus. Nur dass für ihn immer Hochsaison war.
    Die Werbeagentur Pallas befand sich in dem neuen, roten Steinhaus vis-à-vis dem fast ebenso neuen Bryggen Museum. Auf wenigen Quadratmetern gab es alles, was das Herz begehrte: einen Supermarkt, ein Weinmonopol, ein Museum für die Kulturinteressierten, eine Kirche für die Religiösen, eine Zahnarztpraxis, einen Park mit Bänken – und eine Werbeagentur. Man konnte hier ein ganzes Leben leben. Um die Ecke lagen eine Bank und ein Hotel, und dann gab es noch die Post, einen alten Friedhof – und eine Bingohalle. Alle Grundbedürfnisse des Lebens waren gedeckt. Man konnte Briefe schicken, Geld abheben, Bingo spielen. Das neue Dreggen war ein Norwegen im Taschenformat – für die Bequemen.
     
    Wenn man eine Werbeagentur betritt, fällt einem als Erstes auf, dass nur junge Menschen dort angestellt zu sein scheinen. Man sieht selten Menschen über vierzig, denn die sind

Weitere Kostenlose Bücher