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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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passé, die Ideen sind ihnen ausgegangen oder sie können das Tempo nicht mehr halten. Vielleicht sitzt ein älterer, grauhaariger Herr in einem der hinteren Büros, weil er zufällig die Aktienmehrheit der Firma besitzt und niemand ihn auffordern kann, zu Hause zu bleiben, aber einen anderen Grund gibt es nicht, und viel ausrichten kann er auch nicht mehr.
    Vorne am Empfang oder im Vorzimmer oder im Salon (je nachdem, wie mondän die Agentur ist) sitzt eine junge Frau, die immer hübsch ist (denn wenn sie es nicht ist, ist sie viel zu tüchtig, um dort zu sitzen), und lächelt dich an. Das heißt: Sie lächelt dich an, wenn du unter vierzig bist und aussiehst, als hättest du dort etwas zu tun, und nicht, als wolltest du von jemandem Geld leihen. Aber ihr Lächeln ist selten sonderlich warm. Es ist ein mechanisches Lächeln – vielleicht schön, aber mechanisch. Und es dauert nicht lange, denn es ist erloschen, bevor du dich richtig umgedreht hast.
    Alle Werbeagenturen versuchen, ein »junges, dynamisches Milieu« zu etablieren, und es laufen immer Menschen im fancy Outfit hastig von einem Büro ins andere. Sie tragen moderne Brillen und immer einen guten Witz im Mundwinkel, eine kesse Replik für eines der Mädchen, die mit Kopfhörern vor ihren Geräten sitzen.
    In der Werbeagentur Pallas herrschte ein junges, dynamisches Milieu in starken Farben: Der Boden war grün, die Wände rot und die Decke gelb. Man kam zunächst in einen langen, schmalen Korridor voller langer, schmaler Menschen und an den Wänden hingen alte Bierplakate aus der Zeit, als es noch erlaubt war, für so etwas zu werben.
    Die Frau am Empfang hatte eine Afro-Frisur in Schwarz, trug eine grünweiße Tunika und eine Brille mit großen, goldgefassten Gläsern mit verdunkeltem Glas. Aber ihre Zähne strahlten fehlerfrei, als sie lächelte.
    Ich sagte: »Mein Name ist Veum. Ich würde gern mit Jonas Andresen sprechen. Ist er da?«
    Sie schaute auf eine Leuchttafel und nickte bestätigend. »Sind Sie verabredet?« Ihre Augen hinter dem verdunkelten Glas waren blau, wie der Himmel hinter allen Wolken auch blau ist.
    »Muss ich das?«
    Ihr Lächeln wurde angestrengter. »Sind Sie ein Kunde?«
    »Nicht direkt.«
    Jetzt erlosch es ganz und sie sagte kühl: »Ich werde nachfragen.« Sie wählte eine Nummer und sprach leise und diskret, damit ich nicht hörte, wie sie mich nannte. Sie sah auf und sagte: »Andresen fragt, worum es ginge.«
    Ich sagte: »Sagen Sie ihm, es sei privat und sehr wichtig.«
    Sie gab es weiter, lauschte einige Sekunden und legte auf. »Einen Augenblick, er kommt gleich.« Dann vergaß sie mich und wendete sich wieder ihrem Diktiergerät und ihrer Tastatur zu. Mehrmals in der Minute nahm sie Telefonate entgegen und sagte mit derselben liebenswürdigen Stimme: »Pallas, guten Tag.«
    Ich blieb stehen und wartete. Gott sei Dank bat mich niemand, mich zu setzen. Die Sessel sahen nicht aus, als käme man jemals wieder heraus.
    Weiter hinten im Korridor komplimentierte ein junger Mann einen grauhaarigen Herrn mit maßgeschneidertem Anzug hinaus, wie man wichtige Kunden aus einer Werbeagentur hinauskomplimentiert, wenn man mit ihnen fertig ist.
    Eine junge Frau kam aus einem Raum und trug eine große, grüne Mappe unter dem Arm. Sie kam direkt auf mich zu: eine kleine Frau mit recht kleinen Brüsten, breiten Hüften und einem hübschen Gesicht mit klaren, dunklen Augen. Doch das Auffälligste an ihr war ihr Haar, es leuchtete. Es war braun, hatte aber gleichzeitig einen starken roten Schimmer, der eindeutig nicht aus einer Tube stammte, die man für dreißig Kronen kauft und beim Waschen ins Haar schüttet; dieser Rotton kam von innen her, aus stillen, heimeligen Ecken und von Bäumen, die in ihren Wäldern wuchsen. Gleichzeitig war es kein aufdringliches Rot, denn ihr Haar war braun. Der rote Schimmer war einfach da, so wie ihre Seele irgendwo in ihrem Körper war.
    Sie war passend zum offiziellen Farbspektrum gekleidet und trug eine dunkelrote Bluse und einen samtenen, grünen Rock. Als sie an mir vorbeiging, lächelte sie mir zu, und ich erkannte an ihren Lachfältchen, dass sie doch nicht mehr so jung war, sondern um die dreißig. Aber es war ein selten warmes und schönes Lächeln. Ein Lächeln, das aus der gleichen Quelle kam wie der Rotschimmer in ihrem Haar. Wie schön es dort sein musste. Ich würde gern meine Ferien dort verbringen, wenn ich welche hätte, und den Rest des Lebens auch.
    Das war alles. Ein Lächeln im

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