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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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bekommen, das gestohlen worden war.«
    »Roar? Er engagierte einen Privatdetektiv, um ein gestohlenes Fahrrad zu suchen? Der Lausejunge!« Er lachte verwundert.
    »Am Tag darauf musste ich Roar suchen.«
    Er sah mich wieder ernst an. »Was meinen Sie damit?«
    Ich erzählte ihm kurz von Joker und seiner Gang und wie ich Roar gefunden hatte, gefesselt und geknebelt. Aber ich erzählte ihm nicht, wie ich mich mit Roar aus dem Wald herausprügeln musste – und ich erzählte ihm auch nicht, dass ich seine Frau geküsst hatte, auch wenn sie nur seine Ehemalige war.
    Er wurde blass und blasser und seine Stimme klang ziemlich gepresst als er schließlich sagte: »Das ist ja zum Kotzen. Diese Mistkerle. Ich sollte …«
    Ich sagte: »Immer mit der Ruhe. Ich hab es schon getan. Aber so habe ich Ihre Frau kennen gelernt. Und dann engagierte sie mich eben, um mit Ihnen zu sprechen. Über dieses Geld. Sie fühlte sich nicht in der Lage, es selbst zu tun.«
    Jonas Andresen inhalierte tief. Während er sprach, kam der Rauch stoßweise wieder heraus. »Ich – möchte eigentlich nicht hier über diese Dinge reden. Könnten wir uns draußen irgendwo treffen, in – sagen wir in einer halben Stunde?«
    Ich sah auf die Uhr, als hätte ich ein volles Programm.
    »Ist das schwierig für Sie?«, fragte er.
    Ich war großzügig. »Nein, das wird wohl gehen. Und wo?«
    »In der Bryggestue?«
    »Die Bryggestue ist okay. Vielleicht sollten wir gleich dort essen? Ich jedenfalls.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Also in einer halben Stunde, ja?« Dann stand er auf und gab mir zu verstehen, dass er die halbe Stunde bis dahin anderes zu tun hatte, als dazusitzen und mit den Schultern zu zucken. Er musste in der Zeit mindestens drei Zigaretten rauchen und der langsame Tod, der bei uns allen am Tag unserer Geburt eintritt, sollte noch eine halbe Stunde lang in ihn hineinkriechen.
    Er begleitete mich zur Tür und sagte auf Wiedersehen. Die Frau mit dem Afro-Haar versuchte ein zaghaftes Lächeln, das verriet, dass sie sich nicht ganz sicher war, ob ich nicht vielleicht doch eine Art Kunde werden könnte, irgendwann. In jedem Fall war ich noch nicht vierzig, und ein Teil ihres Lächelns war somit berechtigt.
    »Bis nächsten Dienstag, hinter der Bibliothek«, sagte ich, blinzelt ihr zu und verließ den Raum.

18
    Bryggestuen ist eines der wenigen Lokale in Bergen, das eine einfache und solide Atmosphäre von Vergangenem behalten hat, ohne dabei lächerlich zu wirken. Die großen Wandgemälde von Per Schwab mit Hafenmotiven, Bildern von Häusern, die nicht mehr stehen und Schiffen, die längst verschrottet sind, schaffen eine zeitlose Atmosphäre und die Klientel besteht weder aus lautstarken Akademikerlehrlingen, noch aus angetrunkenen Jugendlichen, wie man sie sonst in den meisten Restaurants findet, wo man sich auch als normaler Mensch noch ein Bier leisten kann. Sie bestand aus gewöhnlichen, soliden Menschen, Markthändlern, Seeleuten, Büroangestellten – allerdings vor allem Männern. Es war keines der Lokale, in die man geht, um eine Frau aufzureißen. Man ging dorthin, um sich ein stilles Abendbier zu genehmigen oder um gut und billig zu essen.
    Ich trat ein und setzte mich in eine der hintersten Nischen. Ich bestellte ein Pils und ein Walsteak und aß und trank in aller Ruhe.
    Die Nischen lagen in drei parallelen Reihen. Ich saß ganz hinten an der Wand. In der Nische neben mir saß ein kräftiger Mann in grauem Mantel und mit einem Bauch, der den Gürtel verdeckte, und fischte tief in seinem Bierglas nach Vergangenem. Ich weiß nicht, ob etwas anbiss. In der Nische an der gegenüberliegenden Wand saß ein junges Paar mit ineinander verschlungenen Fingern. Es sah aus, als würden sie niemals mehr voneinander loskommen. Aber das würden sie, nach ein paar Jahren Ehe oder ähnlichem.
    Von Bryggen tönte der Verkehrslärm durch die Bleiglasfenster herein, und das Walsteak schmeckte, wie es sollte.
    Es war eine gute halbe Stunde, die beste seit ziemlich langer Zeit.
     
    Ich hatte schon fast mein zweites Pils hinter mir, als Jonas Andresen hereinkam und sich suchend umsah. Ich hob einen Finger – er nickte und kam herüber. Er hätte Kellner werden sollen.
    Er trug einen hellen Mantel über dem Arm und einen schwarzen Stresskoffer in der Hand. Beides legte er auf die Bank neben sich. Als der Kellner kam, bestellte er ein halbes Export. Als der Kellner das Glas brachte, bestellte er sofort noch eins. »Ich muss mich von der Arbeit erholen«,

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