Dein bis in den Tod
heißt eigentlich ist es braun. Aber es ist mehr als nur braun, es ist rot, aber ohne rot zu sein – wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich verstand, was er meinte. Ich hatte sie gesehen.
»Es leuchtet einfach, als käme die Farbe …«
»Von innen?«
»Genau! Von innen. Und all ihre Wärme kommt auch von innen. Denn das Nächste, was dir auffällt, ist, dass sie so verdammt sympathisch ist. Immer. Dass sie immer gute Laune hat und hell und freundlich ist, auch wenn ihr euch über die Vorgehensweise nicht einig seid, auch wenn ihr Auseinandersetzungen habt. Und wir hatten das Glück – ich hatte das Glück –, dass wir viel zusammen arbeiteten.«
»Welchen Posten hast du eigentlich?«
»Ich bin Konsulent – so heißt das jetzt. Marketingchef hätte es damals geheißen, als jeder Mann ein Chef war, in seinem Büro. Ich kümmere mich um Absprachen und Verträge und Planung von Kampagnen und um ökonomische Verpflichtungen und so weiter. Sie hingegen gehörte zum praktischen Teil des Betriebes, sie brachte die Ideen zu Papier. Und sie war – ist – gut. Sie hat einen einfachen Stil, aber sie hat viel Sinn für Ausdruck. Dafür, eine Idee in ein Bild umzusetzen, in Schrift und Illustrationen, die einen Sinn ergeben. Das Ganze zu vertiefen. Wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich verstand nicht ganz, was er meinte, aber ich konnte ja meine Fantasie hinzuziehen. Und außerdem hatte ich sie gesehen.
»So lief ich herum und kaute auf meiner heimlichen Sehnsucht herum, dieser Verliebtheit, monatelang – bis plötzlich eines Tages … Wir hatten zu arbeiten, und ich war unterwegs gewesen und hatte mit einem Kunden zu Abend gegessen, und wir hatten eine Flasche Wein geteilt, sodass ich mich gerade so leicht im Kopf fühle, wie man es ab und zu vom Wein wird. Als könnte ich schweben, weißt du?«
»Ja.«
»Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass wir einander sehr nah waren, da über ihrem Zeichentisch, und dann sagte ich, sehr vorsichtig: Weißt du, Solveig, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt. Ja, jedenfalls ein kleines bisschen, fügte ich hinzu – um ganz sicher zu gehen, dass sie es mir nicht übel nähme. Und sie sah mich an, so forschend, wie es manche Frauen tun, wenn du ihnen solche Dinge sagst, als wollten sie die Lüge oder die Wahrheit in unserem Gesicht lesen, und dann sagte sie: Wirklich?
Und ihre Stimme war so weich, so weich – und später, als ich ging, wollte ich sie nur ganz kurz umarmen, und sie kam mir entgegen, und ich legte meinen Mund in ihren Nacken, spürte ihren Duft, und für den Bruchteil einer Sekunde streiften sich unsere Lippen, und sie wandte das Gesicht nicht ab, aber ich ging halb taumelnd aus ihrem Zimmer und machte nicht einmal die Tür hinter mir zu.«
Er legte den Kopf schräg und sah verwundert in das leere Bierglas hinab. »Und dann … Dann verging fast ein Jahr, ohne dass etwas passierte. Das ist wahr, Veum. Ich versuchte, es zu lassen.
Ich dachte: Du bist in sie verliebt, aber sie empfindet nichts für dich. Warum sollte sie? Sie ist glücklich verheiratet und hat zwei Kinder, und du selbst bist – jedenfalls verheiratet – und hast eins. Und ich wusste ja nichts davon, damals, dass sie … Ich konnte mir in meinen wildesten Fantasien nicht vorstellen, dass eine Frau wie S-Solveig irgendetwas für mich empfinden könnte. Aber das tat sie. Und dann kam ein Herbst wie ein langer, schwebender Leerlauf. Es wurde mir klarer und klarer, dass sie bleiben würde – in meinem Kopf. Ich sah nur noch sie – sie – sie. Ich fing an, meine Arbeit schlechter zu machen, ich merkte es selbst. War jedenfalls weniger konzentriert, rettete mich aber durch Routine. Dann machte ich Fehler, und einmal verloren wir fast einen Kunden dadurch. Aber das machte irgendwie nichts – solange sie da war, die ganze Zeit, zusammen mit mir. Solange wir nur weiter zusammenarbeiten konnten. Und in all den Monaten erwähnten wir nie – was geschehen war, was ich gesagt hatte. Wir wurden nur immer bessere Freunde. Ich glaube wirklich, ich habe nie einen so guten, vertrauten Freund gehabt – weder Mann noch – Frau.«
Ich schenkte ihm aus meinem Glas nach und er sah mich dankbar über den Atlantik an. »Aber dann eines Tages …«
»Ja?«
»Dann eines Tages. Es war spät, wir machten Überstunden, mussten einen Auftrag fertig kriegen. Wir waren allein, ganz allein. Als wir fertig waren, blieben wir sitzen und redeten. Das heißt, sie saß. Ich stand auf der anderen Seite des
Weitere Kostenlose Bücher