Dein bis in den Tod
vor dem Gelände, schrieb mich beim Pförtner ein und bekam die Richtung zum Verwaltungsgebäude gewiesen. Es war zehn vor zwei.
Als die größte und wichtigste Marinebasis liegt Haakonsvern natürlich am Meer, in einer idyllischen Landschaft, wo das Meer sich mit langen, schmalen Fingern an das Festland klammert. Das Gelände selbst war wie eine Art Mischung aus Kaserne und Parkgelände. Es gab reichlich frische Luft zwischen den Kasernen, und es gab Bäume genug, dass sich ein ganzes Heer von Spionen dahinter hätte verstecken können, wenn sie nur erst den Zaun überwanden, und wenn sie dünn genug waren – denn die meisten Bäume waren hohe, schlanke Birken, mit weißen, eleganten Stämmen und wohl frisierten Kronen, die sie im Sommerhalbjahr mit Grün schmückten.
Ich fand den Weg zum Verwaltungsgebäude und begab mich entsprechend der Instruktion des Pförtners hinauf in den ersten Stock. Ich ging einen langen und sehr militärisch anmutenden Korridor entlang, mit frisch gebohnertem, braungrauem Fußboden und grauweißen Wänden mit verschlossenen Türen. Vor der Tür, an der Richard Ljosne, Oberleutnant. Wenche Andresen, Büroassistentin stand, blieb ich stehen.
Ich klopfte an, und Richard Ljosne öffnete.
Er gab mir die Hand und sagte: »Wir können doch gleich du sagen, oder?«
Ich antwortete: »Von mir aus.«
Dann reichte er mir den Trainingsanzug und wies mir den Weg in sein Büro. Wir durchquerten das von Wenche Andresen, das mit einem Schreibtisch und einem Stuhl, einem Tresen und Wandregalen mit Aktenordnern spartanisch eingerichtet war. Sein Büro war ebenso asketisch, aber sein Schreibtisch war größer und in seinen Regalen standen nicht nur Akten, sondern auch Bücher. An einer der Wände hing eine große Karte des gesamten Geländes. An einer anderen hing ein Bild König Olavs.
Richard Ljosne trug schon einen roten Trainingsanzug mit einer leichten, dünnen Jacke darüber und einer weißen, selbst gestrickten Mütze mit rotem Rand. Er trippelte auf der Stelle, während er wartete.
Ich ging in sein Büro und ließ die Tür angelehnt, während ich mich umzog. Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, dass Militärgeheimnisse aus seinem Büro verschwunden wären, als ich mich dort aufhielt. Der Trainingsanzug war eine Nummer zu klein und in den Shorts hätte eine ganze Ferienkolonie Platz gehabt, aber die Joggingschuhe passten, und das war an und für sich das Wichtigste.
»Und?«, sagte Richard Ljosne erwartungsvoll, als ich herauskam. »Es ist schön, beim Joggen Gesellschaft zu haben. Wir lassen es ruhig angehen, dann haben wir die Puste, um gleichzeitig zu reden. Denn deshalb bist du ja hier, nicht?«
»Eigentlich ja.«
Wie liefen langsam aus dem Gelände und hinauf in Richtung Tor. »Wir haben eine Waldloipe auf der anderen Seite der Straße«, erklärte er. »Die ist genau das Richtige für eine ruhige Runde wie diese. Siehst du da drüben?« Er zeigte auf das Lyderhorn. »Das Lyderhorn«, fuhr er fort. »Da rauf bis zur Spitze laufe ich immer, wenn ich mich wirklich verausgaben will. Eine ruhige Joggingrunde von hier bis dort und eine harte Kletterpartie bis auf die Spitze, den Grat entlang und nach Kjøkkelvik runter und dann an der Straße zurück. Wenn du das ohne Pause schaffst – dann bist du gut in Form, Veum.« Er lächelte mir aufmunternd zu, wie ein Trainer einen neuen, viel versprechenden Schützling anlächelt.
Aber ich fühlte mich ganz und gar nicht so. Ich fühlte mich eher wie ein alter Traber, der wieder angefangen hatte zu laufen, um den Herzinfarkt auf Abstand zu halten. Mein Atem ging schon schwer.
Es war eine kräftige Steigung hinauf zum Tor. Nachdem wir am Pförtner vorbei waren, überquerten wir die Straße und liefen einen weiteren Hügel hinauf, auf einem Schotterweg, an dem rechts vereinzelte Häuser lagen und links dichter Wald. Ein Auto fuhr an uns vorbei. Weit in der Ferne kam uns ein junges Mädchen auf einem braunschwarzen Pferd entgegengeschwebt. Aber die Luft war noch feucht und die Sicht alles andere als klar. Das Mädchen auf dem Pferd wirkte wie eine Fata Morgana, ein Traumbild.
Der Weg wurde ebener, und ich sagte: »Was meinst du zu – Wenche – und der ganzen Geschichte?«
Er sprach ohne Anstrengung, als mache ihm das Laufen nicht das Geringste aus. »Sie hat es nicht getan. Sie hat diesen Kerl vergöttert. Viel zu sehr, wenn du mich fragst. Auch nachdem sie getrennt waren – war es fast unmöglich für sie, sich von ihm loszureißen, ihr
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