Dein bis in den Tod
ist der Sieger, man gewinnt …
Und dann schien sich alles in mir zu verkrampfen, und eine Sekunde lang sah ich, wie er an mir vorbeizog, und die letzten hundert Meter zum Verwaltungsgebäude wurde er schneller und schneller. Als ich selbst ankam, stand er vornübergebeugt und atmete in langen, schnaufenden Zügen, war aber nicht so fertig, dass er nicht aufsehen und mich mit einem Lächeln begrüßen konnte, mit dem Lächeln eines Siegers.
Später sagte ich mir immer, ich hätte ihn gewinnen lassen, weil ich ihn danach zum Reden bringen wollte, und Siegern sitzt die Zunge immer lockerer als Verlierern. Aber die Wahrheit war viel einfacher. Er hatte mehr Reserven gehabt. Es war besser in Form, und er hatte mich besiegt.
Als unser Atem sich erholt hatte, sagte er: »Prima Lauf, Veum. Jetzt gehen wir rauf und holen unsere Sachen, und dann runter in die Sportanlage und in die Sauna und Schwimmen, okay? Dabei können wir weiterreden.«
Ich nickte nur. Ich war zu erschöpft, um zu antworten.
In der Sauna legten wir uns ganz oben unter die Decke. Es war eine gute Sauna, mit ordentlicher Hitze, genau richtig für junge Männer mit guter Kondition. Die Feuchtigkeit vom Duschen wurde schnell von unserem Schweiß abgelöst.
Ljosne sah ungewöhnlich knackig aus für einen Mann um die fünfzig. Seine Hautfarbe hatte einen gesunden, rotbraunen Ton, was um diese Jahreszeit nur bedeuten konnte, dass er fleißig unter die Höhensonne ging. Seine Schambehaarung verlief in einem schmalen Streifen in den Bauch hinauf und einem breiten Dschungel auf der Brust und hatte denselben Grauton wie sein Kopfhaar.
Er musterte mich kritisch. »Du bist zu dünn, Veum. Ansonsten hast du dich ganz gut gehalten. Iss mehr gehaltvolles Essen. Blutige Steaks, grobes Brot und Ziegenkäse. Es macht nichts, wenn du Bier trinkst, wenn du es dir nur hinterher wieder abläufst. Man soll gerade genug Fleisch auf den Knochen haben, dass es aussieht, als bestünde man aus Muskeln, nicht aus Knochen – wie du. Eigentlich – eigentlich mögen Frauen keine so dünnen Männer – genauso wie die wenigsten Männer Frauen vorziehen, an denen sie sich schneiden. Man braucht eine weiche Unterlage, oder nicht?«
Ich trocknete mir den Schweiß von der Stirn und antwortete nicht.
Er sagte: »Hast du mit Wenche gesprochen? Nachdem …«
Ich nickte. »Kurz.«
»Hat sie etwas von mir erzählt?«
»Nichts Besonderes«, sagte ich vorläufig.
»Tja. Sie ist die Diskretion selbst. Das war auch etwas, was ich an ihr mochte, von Anfang an. Sie gehört nicht zu den Weibern, die sofort zu plappern anfangen, wenn sie nur in die Nähe einer Kaffeetasse kommen. Du weißt, die, die man immer in Konditoreien und so was sitzen sieht, über eine Tasse Kaffee gebeugt und plappernd, tratschend. Pausenloses Geplapper, und man fragt sich, ob sie jemals ihre verdammten Tassen leer kriegen – oder ob sie nur zur Tarnung dienen. Der einzige Moment, wo sie die Klappe halten ist, wenn sie Informationen aufsaugen, mit Stielaugen und Elefantenohren. Du kennst den Typ, oder? Aber so ist Wenche nicht.«
Er beugte sich nach vorn, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, und ich sah, dass er auch auf dem Rücken eisengrau bepelzt war. Sie nannten ihn den Wolf. Irgendwann, irgendwo in Richard Ljosnes Leben musste es Menschen gegeben haben, von denen man hatte sagen können: Sie nannten ihn den Wolf.
Er fuhr fort: »Die ganzen – wie lange hat sie hier gearbeitet? Die ganzen zwei, drei Jahre habe ich versucht, sie zu kriegen, Veum. Ja, nicht so, wie man andere Frauen rumkriegt, das wäre nie gegangen, nicht bei Wenche. Sie war ein stilles Wasser, und sie konnte schüchtern und zurückhaltend wirken, aber sie war keine Blume, die man einfach so pflückte. Sie war nicht der Typ, in den du eine halbe Flasche Wein schüttest und ihr eine gute Geschichte erzählst, und bevor sie noch zu Ende gelacht hat, merkt sie, dass sie nackt in deinem Bett liegt und die Beine breit macht. Nicht Wenche.«
Der Schweiß lief in Strömen. Ich spürte, dass meine Augen brannten. Mein Körper wurde warm und schwer. Es war, als hätte man Fieber, und doch wieder nicht. Es war ein positives Fieber, ein heilendes Fieber. Ich sagte: »Nein? Aber du hast versucht, sie zu kriegen?«
»Ja. Meine Güte, ich konnte nicht anders. Keiner, der in ihre Nähe kam, konnte anders. Sie hat dich verhext. Hast du das denn nicht gemerkt?« Aus irgendeinem Grund sah er zwischen meine Beine und nicht in mein Gesicht.
»Nein«,
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