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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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auf ein andermal zu verschieben – was du heute tun kannst. Jedenfalls was – solche Dinge angeht.«
    »Aber ich habe einen Job zu tun, einen Mörder zu finden.«
    Sie streckte mir eine Hand entgegen. Dann ließ sie sie sinken. Ihr Blick richtete sich wieder auf ihr Glas, die Hand folgte. Dann sagte sie: »Okay. Ich wollte nicht … Du bist ja … Aber denk an mich, Veum. Irgendwann einmal.«
    Ich stand mitten im Raum und nickte und machte ein dummes Gesicht. »Ein andermal. Mach’s gut bis dahin.«
    »Mach’s gut«, sagte sie und begleitete mich hinaus.
    Sie hielt mir die Tür auf, und ich ging an ihr vorbei wie ein Luftgeist, ohne sie zu berühren. Hinterher, als sie die Tür geschlossen hatte, dachte ich, eigentlich hatte sie Recht gehabt. Man sollte niemals etwas auf ein andermal verschieben, was man heute tun konnte. Denn man wusste nie, wo man morgen war. Ehe man sich versah, lag man vielleicht in einem fremden Flur und verblutete.

34
    Ich sah auf die Uhr. Es war fast halb zwölf. Ich fragte mich, wie lange Richard Ljosne in seinem Büro war. Er war der Mensch, mit dem ich jetzt am dringendsten sprechen wollte.
    Warum nicht anrufen und fragen. Ich ging zur Telefonzelle unten vor einem der Blocks und wählte die Nummer des Haakonsvern. Nach kurzer Wartezeit wurde ich mit Kapitän Ljosne verbunden.
    Ich sagte: »Guten Tag, Ljosne. Mein Name ist Veum. Wir haben uns vor ein paar Tagen kurz getroffen, hier draußen bei …«
    »Ach ja«, sagte er. »Worum geht es?«
    Ich sagte: »Um die Sache mit Wenche. Wir wissen ja beide, dass sie unschuldig ist ….« Ich hielt inne, hielt die Luft an.
    Er sagte: »Natürlich ist sie unschuldig. Es ist doch idiotisch, etwas anderes zu glauben. Wenche könnte noch nicht einmal eine Fliege umbringen – und dieser Kerl, sie hat ihn ja geradezu vergöttert. Wenn die Polizei was anderes glaubt, dann haben sie da alle den Verstand verloren.«
    »Das haben sie. Aber ich arbeite für ihren Verteidiger, und wir sind sicher, dass sie unschuldig ist. Und ich muss mit Ihnen sprechen, Ljosne. Am liebsten so schnell wie möglich.«
    »Hör mal, Veum – als wir uns getroffen haben, da sahst du aus wie jemand, der ein paar Meter laufen kann – trainierst du?«
    Ich sagte: »Ich laufe manchmal, einmal die Woche oder so. Zweimal, wenn ich Zeit habe. Als ich beim Sozialamt angestellt war, habe ich ein bisschen Betriebssport gemacht. Ich war tatsächlich eine Weile ein ziemlich guter Langstreckenläufer. Aber das ist ein paar Jahre her. Was …«
    »Hör zu. Jeden Freitag beende ich die Arbeitswoche gegen vierzehn Uhr und laufe eine schöne Runde, gehe in die Sauna – und dann am Schluss vielleicht noch ein, zwei Runden ins Schwimmbecken. Wir haben ein fantastisches Sportcenter. Könntest du nicht mitkommen – dann könnten wir dabei reden? Ich garantiere dir, dass es dir gut täte – und ich verspreche, dir nicht davonzulaufen.«
    »Aber ich habe keine …«
    »Ich werde dir vom Depot ein paar Shorts und einen Trainingsanzug raufschicken lassen. Welche Schuhgröße hast du?«
    »42.«
    »Dann kannst du Joggingschuhe von mir leihen. Du findest mich in der Verwaltung. Ich werde den Pförtner anrufen und ihm Bescheid geben, dass du kommst. Wann kannst du hier sein – gegen zwei?«
    »Das sollte klappen.«
    »Gut. Bis dann.«
    Ich legte auf und fühlte nach, ob meine Muskeln sich nach den Reinigungsprozeduren des Vortages wieder erholt hatten. Dies war natürlich die beste aller Reinigungsprozeduren, und das hatte ich vergessen. Den ganzen verdammten Mist herauszulaufen. Und gleichzeitig vielleicht etwas zu erfahren.
    Ich begann fast, mich auf die Begegnung mit Richard Ljosne zu freuen. Ich war immer gern gelaufen, aber am liebsten allein. Von Natur aus war ich ein einsamer Wolf – und deshalb Langstreckenläufer.
    Sprint – das war wie ein unterbrochener Liebesakt, viel zu kurz und unbefriedigend. Die Mittelstrecken verlangten zu viel Seelenstärke und gaben zu wenig Ertrag für den Körper. Ein langer, harter Lauf im Wald oder die Landstraße entlang, ganz allein mit mir selbst und meinem Körper und meinen Gedanken, ein Lauf, der alle steifen Muskeln löste und mich in Schweiß badete – und dann eine kurze Dusche und direkt in die Sauna und nach zehn Minuten wieder raus und noch mal duschen – das war eine Verjüngungskur, nicht mehr und nicht weniger.
    Ich setzte mich ins Auto und fuhr das kurze Stück zum Haakonsvern hinauf mit einer erwartungsvollen Spannung im Leib. Ich parkte

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