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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Pagel den Gang entlanghastete. In den Händen eine kleine eckige Plastikwanne, wie seine Mutter sie für die Handwäsche verwendete. Bei jedem Schritt schwappte Wasser heraus. »Ich hab nichts anderes gefunden.«

79
    Als Lou aufwachte, lag sie in einem Krankenhausbett. Weiße Laken. Weiches Kissen. Die Sonne schien zum Fenster herein. Es roch nach Putzmitteln und Medizin. War das jetzt Wirklichkeit oder bildete sie sich das ein?
    Doch es fühlte sich alles so echt an.
    Langsam kam die Erinnerung. Meo, der ihr ins Gesicht schlug. Lou! Aufwachen. Hast du das Zeug getrunken?
    Bevor sie die Cola hatte trinken können, war ihr wieder schwarz vor Augen geworden. Vermutlich war das ihre Rettung gewesen. Dann das Wasser. Bens Mutter hatte ihr eine ganze Wanne davon unter die Nase gehalten. Gierig hatte sie davon getrunken, unfähig abzusetzen, bis sie keine Luft mehr bekam und sich verschluckte.
    Anschließend fehlte ihr ein Stück Erinnerung. Im Krankenwagen war sie kurz aufgewacht, dann wieder weggedämmert. Und jetzt lag sie hier. Im Krankenhaus. Aus einem Infusionsbeutel tropfte Flüssigkeit in ihren Körper. Jede Zelle sog sich damit voll. Die rissigen Lippen hatte jemand eingecremt und der Durst war endlich verschwunden.
    Alles gut. Alles ist gut.
    Jemand klopfte an die Tür und öffnete sie im selben Moment. Lysander. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus und machte dann einen riesigen Satz.
    »Hi Lou.« In der Hand hielt er einen Strauß Blumen. Die sahen irgendwie selbst gepflückt aus. Margeriten, Klatschmohn, Schafgarbe. Das war so süß!
    »Hi Lysander.« Sie lächelte. »Ich habe dich ganz schön versetzt, gell.«
    Seine Augen blitzten. Er grinste breit. »Aber so was von versetzt. Bitte mach das nie wieder.« Sofort wurde er ernst, beugte sich über sie und gab ihr einen zarten Kuss auf die Lippen. »Wie geht es dir denn?«
    »Du meinst jetzt? Jetzt geht es mir wunderbar. Könnte gar nicht besser sein.«
    Und genauso fühlte sie sich. Unendlich leicht und froh. Der Albtraum war vorüber. Lysander war hier. »Sind die für mich?« Sie deutete auf die bereits welkenden Blüten.
    »Klar.« Er sah sich nach einer Vase um und stellte die Blumen ins Wasser. »So ein Fertigstrauß passt einfach nicht zu dir. Die sind von der Wiese hinterm Krankenhaus.«
    Es klopfte wieder. Ihre Mam und ihr Pa kamen herein. Lou war so froh, sie zu sehen.
    Mam sah erschreckend aus. Ganz käsig, Ringe unter den Augen, tiefe Furchen um die Mundwinkel. Und Pa erst. Dreitagebart. Dicke Tränensäcke, blass wie eine Marmorstatue. Und erst jetzt wurde Lou klar, dass ihre Eltern sich beinahe zu Tode gesorgt haben mussten.
    »Hi Mam. Hi Pa.« Ihre Stimme klang total piepsig.
    Jetzt würde sie kommen, die Standpauke. Mam würde behaupten, dass diese Sorgen, die sie von Anfang an gehabt hatte, voll berechtigt waren. München war kein Pflaster für Lou. Und Pa würde ins selbe Horn stoßen. Das Experiment München war gescheitert. Lou musste wieder nach Straubing zurück. Doch zu ihrer großen Bestürzung brach er in Tränen aus.
    »Mensch Pa, ist doch alles in Ordnung. Mir geht es gut. Echt.«
    Mit dem Handrücken wischte er sich die Tränen weg, setzte sich auf die Bettkante und griff nach ihrer Hand. »Du bist einfach unglaublich«, sagte er schniefend.
    »Immerhin besser als unmöglich.«
    »Du hast ja schon wieder ganz schön Oberwasser, mein Fräulein.« Ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
    »So, jetzt will ich auch mal.« Ihre Mam setzte sich auf die andere Seite des Bettes und wuschelte Lou durch die Haare. »Wir sind fast wahnsinnig geworden vor Angst.«
    Lysander stand am Fenster und stellte die Vase aufs Fensterbrett. Die drei Menschen, die sie am meisten auf der Welt liebte, waren hier bei ihr. Es ging ihr einfach wunderbar. Lou seufzte. Ihr war schon klar, dass sie noch ziemlich lange von dieser Geschichte verfolgt würde, dass sich so etwas nicht einfach beiseiteschieben und vergessen ließ wie ein böser Traum. Doch im Moment war sie einfach nur unsagbar erleichtert und glücklich.
    Kurz darauf redeten alle durcheinander. Lou erfuhr, wer sie entführt hatte. Jonathan Bär. Der Hausverwalter, der an ihrem ersten Tag in München die Übergabe des Appartements gemacht hatte. Er war nett gewesen. Echt nett. Doch offenbar konnte man in die Menschen nicht hineingucken. Ihre Eltern erzählten auch, dass Lysander als Erster verstanden hatte, dass Lou entführt worden war und dass er keine Ruhe gegeben hatte, bis die Polizei begann, nach

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