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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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ins Schloss. Fehlanzeige.
    Lysander bekam das Bild nicht aus dem Kopf. Lou mit der Flasche in der Hand. »Lou… sie hat eine Flasche Cola in der Hand. Sie wird das Zeug trinken. Beeil dich. Mach schon.«
    »Immer mit der Ruhe. Panik hilft jetzt auch nicht weiter.« Meo schob den nächsten Schlüssel in den Zylinder. »Fordere für alle Fälle einen Notarzt an.«
    »Ist längst erledigt.«
    Lysander konnte nicht still stehen. Er trat von einem Bein aufs andere. Konnte man die Tür denn nicht eintreten? So wie die Wohnungstür von Bär. Doch diese Tür war aus Metall. Meo probierte einen weiteren Schlüssel aus. Wieder nichts.
    »Schlüsseldienst kommt in zehn Minuten.« Russo steckte das Handy ein.
    Lysander warf sich gegen die Tür, trommelte mit den Fäusten dagegen. »Lou? Hörst du mich? Trink nicht! Trink nicht! Wirf die Flasche weg!«

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    Als Lou wieder zu sich kam, lag sie auf dem Boden. Ihr Kopf wollte platzen, stechende Schmerzen wühlten darin, wie mit glühenden Messern. Sie war ohnmächtig geworden und voll auf den Boden geknallt. Hinsetzen befahl sie sich. Doch ihr fehlten Kraft und Wille, um sich aufzurappeln. Sie würde jetzt einfach hier liegen bleiben. Der Boden war kalt. So kalt. Es war ihr egal. Sie fühlte sich wie leer gesogen, war nur noch ein Kokon, den ein Schmetterling längst verlassen hatte. Eine leere Hülle.
    Benommen tastete sie ihre Stirn ab. Etwas Klebriges blieb an den Fingern haften. Blut. Ein paar Tropfen Flüssigkeit. Gierig schleckte sie sie ab. Süßlich, pappig, irgendwie metallisch. Viel zu wenig. Doch sie weckten die Gier. Wie ein wildes Tier schoss sie aus dem Unterholz, verjagte jeden vernünftigen Gedanken, ließ Lous Arm nach vorne schnellen und nach der Colaflasche greifen, die nur ein Stück entfernt, halb leer, in einer Pfütze Cola lag. Ihre Finger berührten das harte Plastik, schlossen sich darum.

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    »Der passt.« Meo drehte den Schlüssel, die Tür öffnete sich. Vor Erleichterung hätte Lysander heulen können.
    Flackernd ging das Neonlicht an.
    Ein weiterer Flur tat sich vor ihnen auf. Die Hausmeisterin deutete hinein. »Die zweite Tür links. Dort ist der alte Heizungskeller.«
    Ein Gedanke traf ihn wie ein Faustschlag. Lysander fuhr zusammen. Idiot! Verdammter Idiot! Was war er doch für ein verdammter Idiot!
    Er schnellte herum und stieß mit Elvira Pagel zusammen. »Wasser! Holen Sie Wasser. Schnell. Aus der Waschküche.«
    Die Hausmeisterin starrte ihn verständnislos an.
    »Lou hat vermutlich seit Tagen nichts zu trinken. Jetzt machen Sie schon!« Während er noch sprach, wandte er sich bereits ab und rannte an Meo und Russo vorbei zur Tür, rüttelte an der Klinke. Abgesperrt. Natürlich. Er hämmerte mit den Fäusten dagegen. »Lou. Nicht trinken! Trink die Cola nicht!«
    Er legte sein Ohr an die Tür und hörte nichts. Nur das Rauschen seines eigenen Blutes.
    »Lou!«

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    »Lou!« Verzweifelt trommelte Lysander gegen die Tür. Meo schob ihn beiseite. »Beruhige dich.« Doch Lysander entging der Blick nicht, den Meo Russo zuwarf, während er gleichzeitig einen der Schlüssel ausprobierte. Blanke Panik lag darin.
    Russo umfasste Lysanders Schultern. Fürsorglich. Wie ein Vater und zog ihn zur Seite. »Lass uns das machen. Du wartest besser draußen.«
    Sie wollten ihn hier weghaben. Meo und Russo. Sie dachten, Lou sei tot. »Nein!« Lysander riss sich los. Im selben Moment glitt ein Schlüssel ins Schloss. Meo drehte ihn um, drückte die Klinke, öffnete die Tür.
    Lysander wollte seinen Bruder beiseitestoßen, sich an ihm vorbeidrängen, doch plötzlich war er unfähig, sich zu bewegen. Sein Hirn produzierte Spukbilder. Lou, wie sie sich in Krämpfen wand. Eine röchelnde Lou. Eine Lou, die ihre Augen verdrehte, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Lou, die tot am Boden lag.
    Wie zur Salzsäule erstarrt lehnte er an der Wand, nicht imstande, einen Schritt zu tun.
    »Du wartest hier. Es ist besser.« Mit diesen Worten wandte Russo sich ab und folgte Meo in den Heizungskeller. Ein Schwall stickiger Luft quoll heraus.
    Einen Augenblick war es still. Dann Meos gedämpfte Stimme. »Sie ist bewusstlos.« Ein leises Klatschen. »Lou. Aufwachen. Ich bin es. Meo. Alles ist gut.«
    Ein leises Stöhnen.
    »Hast du von dem Zeug da getrunken?«
    Wieder ein Stöhnen.
    »Prima. Gut gemacht.«
    Offenbar hatte Lou die Cola nicht angerührt. Lysanders Beine gaben einfach nach. Seine Knie knickten ein. An der Wand entlang rutschte er zu Boden und sah dabei, wie Elvira

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