Dein Blick so kalt
schaltete auf Rot. Achim stoppte davor und wandte sich Lou zu. »Das würde ich an seiner Stelle auch. Das ist peinlicher, spätpubertärer Unfug. Wenn ein erwachsener Mann zu derartigen Mitteln greift, stellt das allerdings eine Grenzüberschreitung dar. Da darf man sich schon fragen, wie es um seine Frustrationstoleranz bestellt ist. Offenbar nicht sehr gut. Ich würde die Angelegenheit jetzt auf sich beruhen lassen. Alles ist gut. Du kannst dein Praktikum beenden, darum ging es doch. Wenn dein Chef wider Erwarten seine Finger und seine Sprüche nicht unter Kontrolle hat, dann weißt du ja, wo du mich findest.«
Die Ampel wurde grün. Im dichten Abendverkehr näherten sie sich der Biedersteinstraße. Während der Fahrt erzählte Onkel Achim, dass einer seiner Patienten Kreativchef in einem großen Zeitschriftenverlag sei. »Sicher bildet der Verlag auch aus. Wenn du willst, schaue ich mal, ob ich dort eine Tür für dich aufmachen kann.«
Lou hatte schon wieder Oberwasser. Sie war von Julian gelobt worden. Sein Verhalten tat ihm leid und es würde nicht wieder vorkommen. Alles auf Anfang. Vielleicht bekam sie den Ausbildungsplatz ja. »Falls das mit der Lehrstelle in der Agentur nicht klappt, wäre das super.«
Onkel Achim lachte. »Schön, dass es dir wieder gut geht. Das freut mich. Und jetzt habe ich Hunger. Wollen wir beide irgendwo chic essen gehen?«
Eigentlich hatte Lou mehr Lust, Lysander zu treffen. Doch Onkel Achim war für sie siegreich in die Schlacht gezogen, unmöglich also, seine Einladung abzulehnen. Mit Lysander konnte sie sich später treffen. Damit er sie ansimsen konnte, musste sie allerdings erst den Akku aufladen. »Gerne. Ich muss aber erst heim, das Ladekabel für mein Handy holen. Der Akku ist leer.«
»Hm. Verstehe. Und nun bist du unerreichbar für den netten Jungen mit den langen Haaren.«
He! Hallo! Woher wusste Onkel Achim von Lysander? Hoffentlich hatte er das nicht an Tante Ute weitergetratscht.
»Keine Sorge. Ich behalte meine Beobachtungen für mich.« Anscheinend konnte Onkel Achim nicht nur Chefs in die Schranken weisen, sondern auch Gedanken lesen. »Als ich neulich nachts von einer Feier heimgekommen und in die Tiefgarage gefahren bin, habe ich euch vor dem Haus gesehen. Hat er dich heimbegleitet?«
Lou nickte.
»Offenbar hat er eine gute Kinderstube.«
»Sein Vater ist Professor für Englische Literatur.«
»Also dann holen wir jetzt aber das Kabel.«
Onkel Achim parkte vor dem Haus und fuhr mit Lou nach oben, in ihre Wohnung. Während sie das Handy ansteckte, um zu checken, ob Lysander ihr eine SMS geschickt hatte, sah ihr Onkel sich um.
Lou wurde es ganz heiß. Putzen war eher nicht so ihre Stärke. »Ich weiß, Onkel Achim, ich sollte mal wieder sauber machen.«
Er seufzte abgrundtief. »Louischen, Louischen. Ob du eine tolle Hausfrau wirst, ist mir eigentlich egal, aber bitte, bitte, nenne mich nie wieder Onkel. Das bist du mir jetzt schuldig.«
»Okay. Achim. Ich werde üben.«
Lysander hatte keine SMS geschickt. Wo er wohl war? Lou stöpselte das Handy wieder ab und schob es zusammen mit dem Ladekabel in den Rucksack. »Gartenlokal scheidet irgendwie aus. Es sei denn, es gibt eins mit Steckdose.«
»Das wird sich schon regeln lassen. Magst du französische Küche?«
»Logo. Quiche und so. Lecker.« Jetzt, da der ganze Stress von ihr abgefallen war, hatte sie richtig Hunger.
»Schön, dann gehen wir ins Le Fabourg. Da kann man draußen sitzen und ich denke, einer der Kellner wird dein Handy sitten, während es lädt.«
So konnte man sich täuschen. Achim war nett. Supernett. Dank seiner Hilfe war sie mit einem Schlag alle ihre Probleme los. Weshalb hatte sie ihm anfangs so ablehnend gegenübergestanden und ihn sogar unheimlich gefunden? Lou hatte keine Ahnung, woher das kam, und schämte sich ein wenig. Gut, dass er das nie erfahren würde.
38
Es wurde ein schöner Abend mit Onkel Achim. Leckeres Essen, ein lustiges Gespräch, bis Lou neugierig fragte, ob Achim denn nicht von seiner Freundin erwartet wurde. Offenbar betrat sie mit dieser Frage vermintes Gebiet, denn er reagierte nicht nur abweisend, sondern ziemlich unwirsch. Eilig trat sie den Rückzug an und erzählte alle möglichen Belanglosigkeiten. Von Pas Phobie vor Fröschen und wie er tatsächlich eine geschlagene Stunde zur Salzsäule erstarrt im Garten gestanden hatte, bis Mam ihn erlöste und den toten Frosch entsorgte, der dort lag. Und natürlich auch von der Abschlussfeier und ihrem
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