Dein Blick so kalt
Theke meinte Jem, dass Sylke diese Arbeit wohl unter ihrer Würde fand. Ein echter Deppenjob, vor allem da Lou weiter an der Website für die Schmuckdesignerin arbeiten durfte.
Bis zur Mittagspause verging die Zeit wie im Flug. Sylke rannte ständig zwischen ihrem Mac und dem Drucker hin und her, der in einem kleinen Zimmer neben Gundas Empfangstheke stand. Dabei wurde sie zusehends hektischer und fahriger. Irgendwann knallte sie einen Packen Ausdrucke auf den Tisch. »So ein Scheißjob. Dieser Drucker ist ja echter Mist.«
Peter sah hoch. »Was ist mit dem Drucker?«
Genau in diesem Moment kam Franziska herein. Lou sah sofort, dass die Art-Direktorin sauer war. Ziemlich sauer. »Was ist mit dem Drucker los? Hat jemand an den Einstellungen gedreht? Die Farben stimmen vorn und hinten nicht.« Sie wandte sich an Sylke. »Hast du da was geändert?«
Sylke wurde tatsächlich rot. »Die Ausdrucke waren so hell und streifig.« Trotzig hielt sie Franziskas Blick stand.
»Wenn ich mich recht erinnere, hängt über dem Drucker ein Hinweis, der besagt, dass niemand an den Einstellungen rumzupfuschen hat. Die Druckerprofile sind mit den Rechnerprofilen abgeglichen. Dafür braucht man einen Fachmann. Das kann nicht jede dahergelaufene Praktikantin machen. Das macht nur der Techniker. Steht das da oder nicht?« Franziska redete sich in Rage. Sylke hob das Kinn und schob die Unterlippe ein wenig vor. »Dann soll der das halt machen. Ist mir doch egal.«
»Der kann das aber erst morgen machen. Ich habe den nämlich schon angerufen. Und wenn du Augen im Kopf hättest und lesen könntest, dann hättest du gesehen, dass die Ausdrucke so hell sind, weil die Tonerkartusche beinahe leer ist. Das konnte man dick und fett im Display nachlesen. Herrgott! Wie dämlich kann man nur sein. Was denkst du nun, wie du die Booklets bis morgen früh fertig bekommst?«
Sylke zuckte mit den Schultern. »Es gibt ja Copyshops.«
»Copyshops. Ach. Und was glaubst du, wie viele es davon gibt, die unseren Qualitätsanforderungen entsprechen? Genau zwei in München. Und dort warten sie den ganzen Tag darauf, dass sie von uns einen Panikauftrag bekommen. Die haben ja sonst nichts zu tun. Mal ganz abgesehen von den Kosten. Zwanzig Booklets à fünfzig Seiten. Das kostet ein Vermögen. Und das Ganze nur, weil du zu dumm bist, eine Tonerkartusche zu wechseln.«
Lou zog den Kopf ein. Sylke tat ihr irgendwie leid. Auch wenn sie einen Fehler gemacht hatte, brauchte Franziska deswegen nicht derart auszurasten.
Ihr Handy in der Hosentasche begann zu vibrieren.
»Jetzt sieh zu, wie du das geregelt bekommst. Morgen liegen die Booklets auf meinem Tisch. Pünktlich um neun.«
Franziska verließ das Zimmer. Lou zog das Handy hervor. Eine SMS von Lysander. Freue mich auf dich! :-X Sie konnte nicht anders, sie musste einfach lächeln und sah dabei hoch.
Direkt in Sylkes Augen.
Die wurden zu schmalen Schlitzen.
Ups. Offenbar hatte sie das Lächeln jetzt total in den falschen Hals gekriegt. Sicher dachte sie, es wäre ein schadenfrohes Grinsen. Doch im Moment verspürte Lou wenig Lust, diesen Irrtum aufzuklären und sich zu rechtfertigen.
Der Rest des Tages verging wie im Flug. Abends traf Lou sich mit Lysander, Jem und den anderen im Olympiapark. Dort gab es ein Open-Air-Konzert im Theatron. Eine Indieband mit unaussprechlichem Namen. Und an Lysanders Seite vergaß Lou Sylkes hasserfüllten Blick. Sie schob ihn einfach in die hinterste Kammer ihres Gedächtnisses und machte die Tür zu.
39
Louischen, Louischen. Seufzend lehnte er sich zurück und starrte an die Decke. So langsam verlor er die Geduld mit ihr. Vielleicht hatte er es auch falsch angefangen. Das Vorspiel, die Ouvertüre… Er hatte sich das so schön ausgemalt. Es hätte so perfekt sein können! Doch er konnte ihr nicht vorschreiben, wie sie seine kleinen Leckerbissen zu deuten und wie sie mit ihnen umzugehen hatte.
Sie war ganz anders als Daniela. Sie war widerspenstig, sperrte sich. Doch er würde sie zähmen, bis nur noch sein Wille zählte.
Langsam sollte er zur Sache kommen. Doch er wollte sich noch ein wenig vorfreuen. Diese eine Sekunde der Panik, als sie erkannte, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen sein musste. Wieder und wieder hatte er sich die Aufnahme angesehen, das Bild eingefroren, es sogar ausgedruckt und an die Wand gehängt. Unwillkürlich wanderte sein Blick dorthin. Die Angst in ihrem Blick. Ihre Coolness, ihre Selbstsicherheit, wie weggewischt. Doch das Bild nutzte sich
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