Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
Doch wie sollte sie das Reptilienauge erblinden lassen?
    Bauschaum. Kaugummi. Sprühfarbe. Klebeband. All das fiel ihr ein. Doch sie hatte nichts davon. Nichts außer einigen Glasscherben, einem Stück Metall und einer Colaflasche.
    Doch plötzlich hatte sie eine Idee. Lou griff nach der Colaflasche. Sie war aus Plastik. Um die Mitte war eine rote Banderole mit dem weißen Cola-Schriftzug aufgedruckt. Sie hielt die Flasche gegen das Licht. Blickdicht. Die Banderole war blickdicht. Wo war das Stück Metall abgeblieben, an dem sie sich geschnitten hatte? Es musste noch auf dem Öltank liegen.
    Lou rappelte sich auf, zog sich an der Mauer hoch und robbte über den Tank, bis sie es fand. Prima. Das konnte klappen. Sie kehrte auf die Matratze zurück, in den toten Winkel, in dem Mister Arschloch sie nicht sehen konnte, und setzte das scharfkantige Ende an der Flasche an.
    Der Anfang war schwer. Doch als sie erst einmal ein Loch hineingebohrt hatte ging es leichter. Zentimeter für Zentimeter arbeitete sie sich vor und schnitt an der roten Fläche entlang den oberen Teil der Flasche ab, dann den unteren, bis sie die Banderole in der Hand hielt. Jetzt musste sie es nur noch schaffen, die irgendwie über den Rauchmelder zu schieben. Der Durchmesser konnte passen. Wenn sie Glück hatte. Und dann würde Mister Arschloch rot sehen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Hoffentlich tauchte er dann hier unten auf. Für diesen Fall musste sie gerüstet sein und sich hinter der Tür verstecken. Bewaffnet mit dem Metallstück, das ihr bereits gute Dienste geleistet hatte. Wenn sie schnell genug war, konnte sie abhauen, ohne ihre Waffe einsetzen zu müssen.

63
    Es war bereits dunkel, als er mit dem Lift nach oben fuhr. In die sechzehnte Etage eines Hochhauses im Münchner Osten. Anonyme Wohnschachteln, in denen jeder für sich lebte, keiner den anderen kannte. Dort befanden sich Chantals Geschäftsräume, die er regelmäßig aufsuchte. Sie war so etwas wie eine Freundin, auch wenn Chantal nicht ihr Name war. Den kannte er ebenso wenig, wie sie seinen. Diskretion, Respekt und Rücksichtnahme gehörten zu ihrem Beruf. Er hatte einen Termin vereinbart. Den letzten des Tages. Nach ihm machte sie Schluss. Wie immer um diese Zeit. Ihr Mann wollte nicht, dass sie ihre geschäftliche Tätigkeit zu sehr in die Nachtstunden ausweitete. Ihm gefiel das Business nicht, das sie betrieb. Doch das Geld, das sie damit so üppig verdiente, gab er gerne aus. Ein Widerspruch, über den Chantal und er häufig sprachen. Einerseits machte Mike – so nannte sie ihren Mann, vermutlich hieß er ganz anders – ihr ständig Vorwürfe, beschimpfte sie als billige Schlampe, schlug sie, warf sie raus und beteuerte am nächsten Tag, sie zu lieben. Nur sie. Eine zermürbende Ehe. Chantal ging es deswegen momentan nicht gut. Und das kam ihm gelegen. Es spielte ihm in die Hände. Sozusagen. Er konnte nicht riskieren, dass sie irgendwann das Maul aufmachte.
    Surrend stoppte der Aufzug im sechzehnten Stockwerk. Er stieg aus, klingelte an ihrer Tür und wurde eingelassen. Chantal trug ihre Berufskleidung. Also beinahe nichts. Das Edelweiß, das sie sich vor einigen Wochen Mike zuliebe hatte tätowieren lassen, gefiel ihm nicht. Mike war bei den Gebirgsjägern gewesen. Das war Jahre her. Jetzt arbeitete er als Security-Mann.
    Ein Bussi rechts und links auf die Wange. Das gewährte sie nur Stammkunden. »Komm rein.«
    Er legte das Sakko ab, holte die Flasche Champagner aus der Tüte und reichte sie ihr. »Lass den Korken knallen. Ich denke, wir haben Grund zu feiern.«
    Sie strich die wasserstoffblonden Haare über die Schulter und zog den Träger des Bustiers zurecht. »Erst das Geld.«
    Natürlich. Er zog die Geldbörse aus der Hosentasche, zählte die versprochenen fünfhundert ab und reichte ihr die Scheine, die sie wie immer in das Oberteil schob. Angeblich mochten die Kunden das.
    »Du lässt dir einen Spaß aber was kosten. Oder ist es eher Rache?«
    »Spaß? Rache? Das liegt nah beieinander.« Er lächelte. »Ein kleiner Denkzettel für Achim. Morgen werden sie ihn wieder laufen lassen. Zwei Nächte in der Haftzelle schaden ihm nicht. Er hat mich gelinkt und das hat er nun davon.«
    »Und wenn dieser Russo bei mir aufkreuzt, weil dein Freund Achim es nicht gewesen sein kann, was sage ich dann?«
    »Dann sagst du einfach, dass du dich wohl geirrt hast. Es war ja dunkel. Die können dich nicht festnageln. Jeder irrt sich mal. Auch wenn du deine Angaben schriftlich zu

Weitere Kostenlose Bücher