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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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mich in unseren Kreisen großer Wertschätzung. Doch wie dem auch sei - ich freue mich sehr darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen.
    Mit den edelsten Absichten grüßt Sie
  Graf Paris.
    Julia zerknüllte das Pergament und umklammerte es dann mit der Faust. Sie wusste, dass viele Mädchen ihres Alters solche Briefe erhielten und kurz darauf mit einem Mann verheiratet wurden, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten. Bei dem bloßen Gedanken daran bekam sie eine Gänsehaut. Instinktiv verkroch sie sich unter die Bettdecke. Wenn ihre Mutter glaubte, dass eine Romanze - dazu noch eine arrangierte - ihre Ängste zerstreuen könnte, hatte sie sich gründlich geirrt.

 

    Am Fuße des steilen Felsens, auf dem das Schloss der Capulets errichtet war, befand sich das Waffenlager der Montagues. Der Komplex hatte die Ausmaße einer Festung, aber seine gotische Architektur erinnerte eher an eine Kathedrale. Kein anderes Gebäude in Transsilvanien war so imposant und einschüchternd wie dieses. Seit der gefürchtete Fürst Vladimir wegen seiner verbrecherischen Herrschaft im Kerker saß und sein Halbbruder Radu der Region "Frieden" verordnet hatte, war das Waffenlager der Montagues auf obersten Befehl hin geschlossen.
    Aber sosehr Fürst Radu auch Ruhe und Ordnung durchsetzen wollte - die Montagues hatten nie aufgehört, ihr Arsenal von Streitäxten, Spießen, Schwertern, Kampfstäben und dergleichen zu horten und zu pflegen, um gegen die Vampire gerüstet zu sein, falls diese doch wieder aktiv würden. Die Montagues glaubten nämlich nicht daran, dass die Capulets den Friedensvertrag auf längere Sicht ernst nehmen würden. In ihren Augen waren die Vampire eine Menschheitsplage, die man nur aufhalten konnte, indem man sie einen nach dem anderen vernichtete.
    An dem Abend, an dem der Ball der Capulets stattfinden sollte, saß Romeo Montague, der jüngste Nachkomme der Familie, in den zugigen Räumen des Arsenals und schärfte die Dolche und Stilette seines Vaters. Sein älterer Cousin Benvolio und sein Freund Mercutio waren bei ihm. Schon seit gut zehn Minuten bearbeitete Romeo ein und dasselbe Stilett. Das sandfarbene Haar fiel ihm in die Stirn und über die braunen Augen, aber davon merkte er nichts, denn er träumte gedankenverloren vor sich hin. Das unterschied ihn vom Rest der Familie: Er benutzte seinen Kopf nicht ausschließlich dazu, über die Ausrottung der Vampire nachzudenken.
    "Schau hin, was du tust, Romeo!", ermahnte ihn Benvolio und grinste. "Wenn du dir weiterhin selbst die Stiefel zubinden willst, brauchst du deine Finger noch."
    Romeo wandte den Blick von dem Rinnsal ab, das von einer steinigen Wand tropfte, und schaute auf den Wetzstein in seiner Hand. "Einen Finger zu verlieren schmerzt bestimmt nicht so sehr wie mein gebrochenes Herz."
    Mercutio zog eine Grimasse, während er kurz überprüfte, ob die alte Armbrust, die er sich genommen hatte, noch eingesetzt werden konnte. "Herrgott, Romeo, trauerst du etwa immer noch dieser monströsen Rosalinde Capulet nach?"
    Seit Romeo für das hübsche junge Mädchen entflammt war, hatte er mehrfach versucht, sie anzusprechen. Aber sie ignorierte ihn einfach, und nun hatte er großen Liebeskummer.
    "Was soll er sonst tun, Mercutio?", erwiderte Benvolio anstelle seines Cousins. "Diese Halbmenschen haben ihre ganz eigenen Reize, das musst du zugeben. Raulfe, der Schmied, hat mir erzählt, dass sie nach Schweinespeck riechen."
    Romeo warf Stilett und Wetzstein auf die Werkbank, dass es krachte. "Ihr seid die größten Idioten von ganz Transsilvanien", sagte er.
    "Und die bestaussehenden", ergänzte Mercutio.
    Romeo musste gegen seinen Willen grinsen. "Wer sagt das? Deine Mutter?"
    "Willst du etwa behaupten, meine Mutter hätte keinen Geschmack?", fragte Mercutio und tat so, als sei er beleidigt.
    "Der Einzige, der keinen Geschmack hat, ist unser Romeo", sagte Benvolio.
    "Ach ja?" Langsam wurde Romeo wütend, obwohl er die beiden gut genug kannte, um zu wissen, dass sie scherzten. Aber sie schafften es immer wieder, ihn aus der Fassung zu bringen, wenn sie sich über ihn lustig machten, was sie oft und gern taten.
    "Allerdings! Diese Halbblüter kann man doch nicht ernst nehmen! Es sind verachtenswerte Kreaturen – und gefährliche dazu." Benvolio nahm ein Langschwert von der Werkbank und fuhr mit einem behandschuhten Finger über die silberne Klinge, um zu prüfen, wie scharf sie war.
    "Rosalinde ist kein Halbblut", erklärte Romeo. "Sie ist ein Mensch wie du und

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