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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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kann. Mein Arbeitspult steht vorne unter dem Nordfenster, mit Blick auf den Bärenpfosten. Weil der Funkbereich am weitesten vom Ofen entfernt ist, ist es da merklich kälter als in der übrigen Hütte. Aber das ist nicht zu ändern.
    Nach stundenlangem Auspacken waren wir zu erschöpft, um eine richtige Mahlzeit zu kochen, deshalb habe ich eine große Pfanne Eiderentenrühreier gemacht. (Wir haben der Schiffsmannschaft, die sie zu Tausenden sammelt und nach Norwegen verschifft, eine große Menge abgekauft.) Eiderenteneier sind doppelt so groß wie Hühnereier und haben eine hübsche grün gefleckte Schale. Schmecken lecker, haben allerdings etwas leicht Fischiges. Ich rieche es jetzt noch.
    Ich schreibe dies an dem großen Tisch im Schein einer Starklichtlampe. Draußen ist es hell genug zum Lesen, aber hier drinnen brauchen wir Lampen, weil ein großer Bereich des Raumes finster ist: Es gibt hinten nur das kleine Westfenster und vorne die zwei Nordfenster.
    Bevor wir den Ofen eingeschürt haben, konnten wir hier drinnen unseren Atem sehen, aber jetzt ist es warm geworden. Wir haben die Ofentüre offen gelassen, und der rote Schein ist anheimelnd. Ich höre den Regen auf das Dach trommeln und den Wind im Ofenrohr ächzen. Gestern ist es stürmisch geworden. Am Morgen waren die Wassereimer der Hunde mit Eis überzogen. Als ich gegenüber Eriksson bemerkte, es werde winterlich, hat er gelacht. Er sagt, in Spitzbergen setzt der Winter erst nach Weihnachten ein.
    Es ist acht Uhr, und wir sind drinnen geborgen für die Nacht. Ich sage «Nacht»; denn obgleich es draußen noch hell ist, fühlt es sich nicht so an. Heute Abend haben wir die ersten matten Sterne gesehen.
    Gus und ich sitzen an einer Tischseite: Ich schreibe in mein Tagebuch, Gus raucht und macht sich Notizen für den Expeditionsbericht. Auf die andere Tischseite hat Algie die Nähmaschine gestellt; er fertigt Hundegeschirre. Dabei pfeift er eine alberne Melodie, und wenn er nicht pfeift, atmet er geräuschvoll durch den Mund.
    Mit Algie und der Nähmaschine ist es daher nicht richtig ruhig. Hinzu kommen die Geräusche von den Hunden. Sie sind alle miteinander verwandt, was dazu beitragen soll, Kämpfe auf ein Minimum zu beschränken, aber darauf würde man nicht kommen, wenn man sich so anhört, was aus der Hundehütte dringt. Knurren, Jaulen. Scharren und Nagen. Ausbrüche von Geheul. Wenn es zu laut wird, rufen wir und klopfen an die Wand, dann stimmen sie das leise Gewimmer jener an, die sich ungerecht behandelt fühlen.
    Wie immer sind Mr. Eriksson und die Mannschaft zum Schlafen aufs Schiff gegangen. Es ist ihre letzte Nacht in Gruhuken, und ich habe den Eindruck, dass sie erleichtert sind. Morgen geben wir Mr. Eriksson zu Ehren ein Mittagessen. Dann werden wir der Isbjørn liebevoll Lebewohl sagen und von da an auf uns alleine gestellt sein.
    Später
    Ich habe mich in meine Koje verzogen, weil Algie in seiner faltbaren Reisebadewanne sitzt und ich nicht hinschauen mag. Das viele schwabbelige, sommersprossige Fleisch. Seine Füße sind am schlimmsten, flache rosafarbene Platten, der zweite und dritte Zeh viel länger als der große, was ich abstoßend finde. Gus hat gesehen, wie ich daraufgestarrt habe, und ist rot geworden. Zweifelsohne schämt er sich für seinen «besten Kumpel».
    Manchmal frage ich mich allerdings, warum es mir so schwerfällt, Algie zu ertragen. Vielleicht weil wir hier drinnen so beengt sind. Wir werden immer behaarter und schmutziger, in der Hütte riecht es nach Holzrauch und ungewaschener Wäsche. Man muss sich unter Leinen mit zum Trocknen aufgehängten Socken ducken und sich seinen Weg durch das viele Zeug bahnen. Algie macht es einfach noch schlimmer. Er räumt nie etwas weg, und jeden Morgen schüttelt er seinen Schlafsack aus und drapiert ihn «zum Auslüften» über die Koje.
    Ich hätte nie gedacht, dass ich das sagen würde, aber ich bin froh, dass wir uns nicht von den Hunden getrennt haben. Gewiss habe ich sie nicht gern , und daran wird sich auch nichts ändern, obwohl Gus sich große Mühe gibt. Gestern hat er versucht, mich mit seinem Liebling bekannt zu machen, einer knochigen rotbraunen Hündin namens Upik. Sie springt an ihm hoch, aber als ich mich näherte, hat sie geknurrt.
    Ich habe es achselzuckend abgetan, er aber war enttäuscht: von Upik und auch von mir. «Ich weiß nicht, warum sie das gemacht hat», sagte er. «Du hast keine Angst vor ihr, das sehe ich.»
    «Nein», sagte ich, «aber ich bin ihr auch

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