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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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es wahnsinnig eilig hatten, zum Ende zu kommen, nicht, weil es ihnen nicht mehr oder weniger großen Spaß machte, Vorsicht, zu etwas bin ich noch nütze, sondern aus purer Ungeduld, fortzukommen und es zu erzählen, ich stelle mir vor, wie sie hochzufrieden in die Kneipe oder am nächsten Morgen in die Schule kommen: ›Wetten, ihr wißt nicht, wer ihn mir bis zum Geht-nicht-mehr und überall reingesteckt hat?‹« Er verstummte einen Augenblick und lächelte etwas einfältig, als bereite es ihm eine solche Freude, es nach Jahren, bei einem Abendessen nach einem Konzert in Edinburgh, unversehrt wiederaufleben lassen zu können. Auch als erinnere er sich an etwas aus der Vergangenheit, etwas Verlorenes, das vielleicht nicht wiederkehren würde. »Ich weiß nicht, ob ihre Freunde ihnen glauben, mag sein, daß sie’s damit nicht leicht haben, und das kann ein Problem werden, denn seit einiger Zeit laufen einige mit ihrer Taschenkamera oder ihrem Handy herum, ich glaube, auf der Jagd nach Beweisen, obwohl alle behaupten, sie hätten sie bei sich, weil sie sie eben immer bei sich haben, das heißt, man muß sie filzen, bevor sie reinkommen, es wäre nicht lustig, wenn sie mitten im Geschehen ein Foto von mir machen würden. Das wird ihnen alles abgenommen, ich taste sie mit einem dieser Geräte ab, die sie auf den Flughäfen benutzen, diesen Stäben, ihr wißt schon, und ich kann sie damit außerdem ein bißchen betatschen, was sie entzückt und zum Lachen bringt, und man bekommt eine Vorstellung von dem, was einen erwartet, gut ausgestattete Leute im allgemeinen. Sie lassen alles lammfromm über sich ergehen, um nur ja in das Zimmer zu kommen. Da sind sie weniger entgegenkommend und lebhaft, sie versuchen nicht, Kameras oder sonstwas einzuschmuggeln, und das ist der Nachteil daran: Es lohnt sich für sie nicht so sehr, es erzählen und damit angeben zu können, oder vielleicht bin ich hier schon zu bekannt. Vielleicht muß man zum Teil deshalb bezahlen, oder das Gerücht hat sich verbreitet, und alle wissen schon, daß ich nicht widerstehen kann, daß sie mir irgendeinen Betrag abluchsen können. Und manchmal kommt man selbst durch Bezahlen nicht weit, was die zarten Leckerbissen angeht, nicht wahr, Viva?, in unserem geliebten England und Schottland und Wales. Und deprimier mich jetzt nicht, indem du mir sagst, daß es dir anders geht.«
    Wer deprimiert war, war ich. Dick Dearlove hatte die Fünfzig wohl schon hinter sich, er war noch immer berühmt, aber nicht mehr so wie früher, auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit. Er füllte die Konzertsäle noch immer bis auf den letzten Platz und löste euphorische Begeisterung aus, aber vielleicht eher seines Namens und seiner Geschichte wegen als aufgrund seiner gegenwärtigen Verfassung, so wie es den meisten britischen Sängern der siebziger und achtziger Jahre ergeht, die sich gehalten haben und weiterhin dabeisind, von Elton John bis Rod Stewart oder den Rolling Stones. Er trug das Haar peinlich lang für sein Alter, sehr blond und sehr gelockt, er wirkte wie ein ehemaliges Mitglied von Led Zeppelin oder King Crimson oder Emerson, Lake & Palmer, das dreißig Jahre später versucht, sein erstarrtes jugendliches Aussehen zu bewahren. Von hinten konnte man ihn seiner geradezu frittierten Mähne wegen mit Olivia Newton-John am Schluß von Grease verwechseln, aber wenn er sich umdrehte oder sein Profil zeigte, war seine Physiognomie das Gegenteil der lieblichen Gesichtszüge jener Australierin oder Neuseeländerin oder was auch immer: Die Nase, die immer eine Adlernase gewesen war, war spitz geworden ohne Wölbung, nur in horizontaler Richtung; die stets kleinen Augen waren jetzt vergrößert, aber auf anormale und leicht schaurige Weise, als wäre es ihm gelungen, sie durch die drastische Methode, sich die Wimpern abzurasieren oder die Lider chirurgisch zurechtzuschneiden, oder durch irgendeinen anderen Wahnsinn hervorzuheben; und seine unzweifelhaften Bemühungen, nicht dick zu werden, hatten ihm den bösen Streich gespielt, ihm einen faltigen Hals und zahlreiche Furchen in Wangen, Kinn und Stirn zu bescheren (vielleicht waren seine bottox -Vorräte aufgezehrt), und ihm hingegen nicht erspart, an einem hochgewachsenen, hageren Körper einen wabbeligen Bauch zur Schau zu tragen. Kaum etwas davon sah man ihm aus der Ferne an, wenn er sich auf der Bühne verrenkte, wohl aber, wenn er von ihr herabstieg, oder in Großaufnahmen auf den Riesenbildschirmen, die im übrigen nicht zu

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