Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
als er bereits berühmt war, als Andenken an unseren Aufenthalt in Portugal, mehr als in Spanien. Von Juni bis August wichen wir dem frivolen Pärchen nicht von der Seite. Mrs. Simpson, ich meine die Herzogin, war nicht bereit, ohne ihre Garderobe an den Ort aufzubrechen, den sie als ihr Exil sahen, ohne ihre königliche Tischwäsche und ihr Bettzeug, ihr Tafelsilber und -porzellan; das alles sollte aus Paris geschickt werden, via Madrid, in acht von dem Multimillionär Calouste Gulbenkian gecharterten Hispano-Suizas, eine gefahrvolle Reise in jenen Tagen. (Interessanterweise war das übrigens das Jahr, in dem der aus Armenien stammende Gulbenkian offiziell zum ›Staatsfeind‹ erklärt wurde« – Wheeler sagte ›Enemy under the Act‹, ich nahm an, daß es ungefähr das heißen mußte –, »er verlor dadurch die britische Staatsangehörigkeit und wurde persischer Staatsbürger; ich weiß also nicht, ob er noch Freund oder schon Feind war, als er dem Herzogspaar half.) Wir mußten daher in Estoril warten, und jeden Abend hatten wir das Paar ins Casino zu begleiten, Ian Fleming oder ich oder häufiger alle beide, aus Sicherheitsgründen. Es ist nicht verwunderlich, daß in den Bond-Romanen so viele Casinos auftauchen, seit den zwanziger Jahren kannte er die von Deauville, Le Touquet und später Biarritz, er spielte leidenschaftlich gerne, vor allem Baccara, was ein ziemliches Glück war, da die Herzogin sich mit ihm besser amüsierte. (Obwohl er nie große Gewinne machte, oft sogar Verluste einfuhr, war er ein konservativer Spieler, der niedrige Beträge setzte, nicht wie seine Romanfigur.) Was den Herzog angeht, so konnte man sich mit ihm immerhin über das eine oder andere Thema unterhalten. Unser Umgang war langweilig, aber verbindlich: Er hatte hier studiert, am Magdalen College, und so blieb mir, wenn mir sonst nichts mehr einfiel, um ihn zu unterhalten, immer noch die Möglichkeit, ihm Oxforder Klatschgeschichten zu erzählen. Er lauschte ihnen mit Verblüffung, vor allem wenn es um Sexuelles ging, mit einer gewissen Naivität, die möglicherweise nur vorgetäuscht war. Aber er konnte nicht lachen. Ein fader, vielleicht nicht besonders gescheiter Mann, aber angenehm weltgewandt und selbstverständlich von ausgesuchter Höflichkeit: Man kann eben nicht bestreiten, daß er aus einer guten Familie kam.« Wieder lachte Peter über seinen kleinen Scherz. »Eines Tages gelang es uns schließlich, das königliche Paar heil und gesund aufs Schiff zu verladen, samt Silber und Porzellan und Bettwäsche, es war ein britischer Zerstörer, der am Tajo vor Anker gelegen hatte, und wir sahen erleichtert zu, wie sie über den Atlantik entschwanden, mit Kurs auf die Bahamas. Dann trennten sich unsere Wege, der von Ian Fleming und meiner, und wir haben uns erst sehr viel später wiedergesehen. Er wurde persönlicher Mitarbeiter im Stab von Konteradmiral Godfrey, und er hat auch viel mit Hillgarth und Sefton Delmer zusammengearbeitet, ich glaube, sie waren gemeinsam in Moskau gewesen, und er hatte an dem schwarzen Spiel des PWE mitgewirkt …« ›The black game‹, sagte er. Ich hatte die junge Pérez Nuix einmal den Ausdruck ›black gamblers‹ verwenden hören, oder war es vielleicht ›wet gamblers‹ gewesen, ich hatte jedenfalls Glücksspieler damit assoziiert. Ich kannte diese Abkürzung nicht, PWE . Aber ich wollte Wheeler nicht unterbrechen. »Wir verloren uns natürlich aus den Augen, im Krieg war das normal, man zog von einem Ort zum nächsten, wohin man eben abkommandiert wurde, und verabschiedete sich von allen in dem vollen Bewußtsein, daß man sich wahrscheinlich nicht wiedersehen würde. Nicht durch das Werk des Zufalls, sondern weil man so leicht sterben konnte. Der eine, der andere oder alle beide … So ging es mir mit Valerie, wann immer ich gehen mußte und ihr Lebwohl sagte … Wann immer ich gehen mußte …« Seine Stimme war nach und nach schwächer geworden, fast tonlos, als er diese letzten Sätze sprach: Bestimmt hatte das Reden ihn ermüdet. Er sprach nicht weiter. Er stützte sich mit beiden Armen auf den Stock, den er über die Lehnen gelegt hatte, als hätte er damit eine Anstrengung vollbracht und sie bedürften der Ruhe. Er sah erschöpft aus, und sein Blick hatte etwas Abwesendes. »Die schwarze Propaganda von Sefton Delmer, das war es«, fügte er schließlich gedankenverloren hinzu, dann versank er wieder in Schweigen. Vielleicht hatte er sich zu sehr erinnert. Mechanisch am Anfang,
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