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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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Juan Deza holen gegangen, am Tag von San Isidro im Jahre 39 , sondern sie hatten Francos Polizei geschickt, ihn zu verhaften und ins Gefängnis zu stecken, und danach waren Zeugen beteiligt gewesen, Marionetten von einem Staatsanwalt, Anwalt und Richter, fast nichts erfolgt jemals direkt oder von Angesicht zu Angesicht, wir sehen das Gesicht desjenigen nicht, der uns ruiniert, fast immer steht noch jemand dazwischen, zwischen dir und mir oder mir und dem Toten, zwischen ihm und ihr.
    »Warum hast du Tupra nicht direkt darum gebeten? Glaubst du nicht, daß er sich verständnisvoll zeigen und dir den Gefallen tun würde, wenn du ihm das gleiche erklären würdest wie mir, das mit deinem Vater? Er würde bestimmt eine Ausnahme machen. Ihn kennst du doch sehr viel besser als mich, ich habe den Eindruck, daß Vertrauen zwischen euch herrscht und sogar so etwas wie ironische Zuneigung, um es so zu nennen, als hättet ihr auch außerhalb des Büros Umgang miteinander gehabt.« Ich sah davon ab, in dieser Richtung weiterzumachen, ich sah davon ab, anzudeuten, was meiner Vermutung nach zwischen ihnen geschehen war; allerdings glaubte ich auch nicht, daß es noch fortdauerte, ich stellte es mir eher als vergangen vor und als etwas damals vielleicht Vorübergehendes oder nur halb Freiwilliges. Jetzt sprach ich aus größerer Entfernung mit ihr, mit dem Rücken zum offenen Fenster, ich spürte, wie die Luft durch mein Hemd drang, zum Glück fiel der Regen nicht schräg, ich würde die Guillotine wieder herunterlassen müssen, sobald sich der Rauch verzogen hätte. »Tatsächlich kennst du mich sehr wenig. Was hat dich auf den Gedanken gebracht, daß ich zugänglicher sein könnte als er, eher geneigt, deine Bitte zu erfüllen, eher von Nutzen? Ich weiß nicht, er wird dir eine gewisse Dankbarkeit entgegenbringen, sei es auch nur für die jahrelange gute Zusammenarbeit. Ich dagegen« – ich zögerte einen Moment, rekapitulierte flüchtig, fand nichts – »habe noch keinen Grund, dir verpflichtet zu sein, soviel ich weiß oder soweit ich mich erinnere.«
    »Du bist Spanier«, sagte sie, »und hast daher weniger starre Prinzipien. Du hast erst vor kurzem hier angefangen, es kann sein, daß du bald wieder gehst, und du bist ein Angestellter. Nicht, daß Bertram zu viele Prinzipien hätte oder daß sie die edelsten wären, nach der allgemeinen Auffassung der Leute; natürlich ist er imstande, Ausnahmen zu machen, in diesem Gewerbe bleibt einem nichts anderes übrig, wie übrigens in den meisten. Aber die, die er hat, befolgt er, und eines davon ist, nicht mit der Arbeit zu spielen. Wenn ein Fehler passiert, akzeptiert er ihn, aber er will nicht, daß er auf Nachlässigkeit zurückzuführen ist oder daß er vorsätzlich passiert, das heißt, gar keiner ist. Er akzeptiert nur die unvermeidlichen, wenn wir uns wirklich irren oder man uns täuscht oder es uns an Scharfsinn fehlt, das passiert uns allen ab und zu, daß wir halbblind sind und ganz tief ins Fettnäpfchen treten. Nein, diesen Gefallen würde er mir nicht tun, gerade diesen nicht. Er würde mich drängen, nach anderen Lösungen zu suchen, er würde denken, daß es sie geben muß, ich weiß, daß es nicht so ist, ich habe die Sache tausendmal erwogen. Mehr noch, wenn er informiert wäre, würde er das Ganze als eine weitere Angabe über Incompara ansehen, er würde es für den Bericht verwerten und womöglich zu seinem Schaden, ich würde riskieren, daß durch meine Schuld alles umgekehrt dazu verläuft, wie ich es brauche. Er hält sein Ansehen sehr hoch, renommiert mit seiner Erfahrung. Er betrachtet sich nicht als unfehlbar, aber er ist überzeugt, daß er dem Staat und den Kunden große Dienste leistet, diejenigen, die zu ihm kommen, sind keine unbedeutenden Leute. Auch schätzt er sein Gespür bei der Auswahl von Mitarbeitern sehr hoch ein. Hier kommt nicht jeder rein, falls du das nicht gemerkt haben solltest. Du hast als Übersetzer angefangen. Wenn du nun andere Aufgaben erhältst, dann deshalb, weil er deine Fähigkeiten erkannt und weil du sein Vertrauen gewonnen hast. Bei dir ist das schnell gegangen. Das letzte, was er erwarten würde, ist, daß jemand von uns absichtlich eine Deutung fälschen oder ihn darum bitten könnte. Dich dagegen ficht das, glaube ich, nicht besonders an. Mir scheint, du bist hier nur im Wartestand und verdienst so lange Geld mit etwas, das dir wenig Mühe macht und mehr Spaß als der Job beim Rundfunk. Du wartest, bis du weißt, was zu

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