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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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Meldung über ihn brachten, doch keine veröffentlichte irgendeine Reaktion auf den Vorfall, wahrscheinlich hatte Rafita die Attacke nicht einmal bei der Polizei angezeigt. Tupras Einschüchterung oder die meine, als ich seine Worte mit den genauen Anweisungen übersetzte, hatten mit Sicherheit gewirkt. Ich kaufte auch täglich El País und ABC (letztere, weil sie mehr als andere das Auf und Ab im Leben von Diplomaten wie Bischöfen verfolgt), aber auch dort erschien in den ersten Tagen nichts. Erst nach etwa zehn Tagen erwähnte der Londoner Korrespondent von El País in einer vergleichenden Reportage über die Unsicherheit in europäischen Hauptstädten ganz nebenbei: ›In der spanischen Kolonie sorgte es für eine gewisse Aufregung, als man vor einigen Wochen erfuhr, daß ein Angestellter der Botschaft ins Krankenhaus eingeliefert worden war; Unbekannte hatten ihn eines Abends auf offener Straße scheinbar grundlos verprügelt, wie er anfänglich erklärte. Später gestand er, daß der brutale Angriff (zahlreiche Blutergüsse und mehrere gebrochene Rippen) in einer angesagten Diskothek stattgefunden hatte und daß er aus einem Streit heraus entstanden war, was die Gemüter beruhigte, da man die Sache als einen rein zufälligen, vereinzelten und vielleicht sogar verdienten oder zumindest personenbezogenen Vorfall auffassen konnte.‹
    De la Garza hätte seinen Zustand unmöglich seinen Vorgesetzten und Kollegen verbergen können und hatte sich wohl genötigt gesehen, seine Krankschreibung zu rechtfertigen, also hatte er eine Geschichte erzählt, etwa daß ein paar rauhe Typen ihn provoziert hätten oder daß er eine Dame beschützt habe (wer Damen beleidigt, gefällt sich oft in der gegenteiligen Rolle: Ich erinnerte mich noch an seinen Satz ›Die Frauen sind alle Nutten, und die Spanierinnen sind die schönsten‹) oder daß jemand Spanien verunglimpft habe und ihm nichts anderes übriggeblieben sei, als wild zu werden und sich zu prügeln, ich war neugierig auf das, was er sich hatte einfallen lassen, um sich einigermaßen würdevoll aus der Affäre zu ziehen (würdevoll nach seiner Auffassung und nur in der Erzählung, es war offensichtlich, daß man ihn zusammengeschlagen hatte): ›Sie haben mich windelweich geprügelt, ja, aber ihr wißt nicht, was sie an Schlägen einstecken mußten, ich hab sie gehörig vermöbelt‹, hatte er wohl geprahlt und wie immer das Plumpe und das Ranzige vermischt, wie so viele unserer vergangenen und gegenwärtigen Schriftsteller, was für eine Plage. Nur die Abneigung, die ihm wahrscheinlich in seiner Umgebung entgegenschlug, konnte das ›vielleicht sogar verdient‹ erklären, es war ein wenig unangemessen, sicher war der Korrespondent für seine persönliche Meinungsäußerung gerügt worden. Ich fand es amüsant, mich als brutalen Mafioso zu sehen, und ich erfuhr wenigstens, daß Tupra recht gehabt hatte, er hatte ihm an Ort und Stelle, in der Toilette, zwei, drei, höchstens vier gebrochene Rippen diagnostiziert, vielleicht gehörte er zu denen, die die Wirkung jeden Schlages und jeden Stichs nach der gewählten Stelle und der aufgewendeten Kraft berechnen, wie ein Chirurg oder Schlächter, vielleicht besaß er Erfahrung und hatte gelernt, Heftigkeit und Tiefe abzumessen, und nie rutschte ihm die Hand aus, er wußte genau, welchen Schaden er anrichtete, und versuchte, nicht darüber hinauszugehen, wenn das nicht zu seinen Plänen gehörte. Es war besser, sich nicht mit ihm anzulegen, ich meine körperlich.
    Ich ließ also eine Weile vergehen, es war mir lieber, De la Garza anzurufen oder ihn aufzusuchen, wenn er sich noch besser erholt hätte und sein Groll und Schrecken weniger geworden wären; und die Angst, das Tiefste. Nach dem, was ich wußte, hatte er uns gehorcht, Tupra und mir, er hatte auf uns gehört: Nicht einmal Wheeler hatte er von der Sache erzählt, auch nicht seinem einflußreichen Vater Don Pablo, dessen Einfluß mittlerweile abnahm. Ersteren besuchte ich schon seit längerem nicht mehr, aber ich telefonierte weiter alle zehn oder vierzehn Tage mit ihm, eigentlich fast immer charmante und anregende Gespräche, wenn auch von einer gewissen Routine geprägt. Einmal erwähnte ich ihm gegenüber gedankenlos Rafita, und er fiel mir sogleich ins Wort: ›Oh, hast du nicht mitbekommen, was ihm passiert ist? Etwas Schreckliches, man hat ihn regelrecht verprügelt, er ist weiterhin im Krankenhaus, glaube ich. Ich weiß es nicht direkt von ihm, er kann noch mit

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