Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
sagte er, ohne es wirklich als Frage zu betonen. »Wie alte Flammen, ja? Und sie kam nolens volens hierher, glaubst du.« Ihm gefielen die lateinischen Brocken wirklich. »Auf, erzähl mir weiter, was du noch gesehen hast.«
    »Viel mehr kann ich Ihnen nicht erzählen, Peter, ich habe mit keinem von beiden viel geredet, und das jeweils getrennt, mit ihr drei förmliche Worte und mit ihm ein paar Minuten, ich habe sie nicht zusammen gesehen. Warum stellen Sie mir so viele Fragen? Ich möchte Ihnen meinerseits ein paar Fragen über diesen Typen stellen, Sie haben mir noch immer nicht erklärt, warum Sie mir neulich am Telefon so viel über ihn erzählt haben. Wissen Sie, daß er mir Arbeit angeboten hat, für den Fall, daß ich die BBC leid werde? Ich weiß nicht einmal, was er beruflich macht. Er hat mir nahegelegt, es mit Ihnen zu besprechen, das hat seinen Grund. Sie um Rat zu fragen. Sie werden wissen, warum. Sie werden sich äußern, wann Sie wollen, Peter. Er ist ein sympathischer Mann, auf den ersten Blick. Und mit der Fähigkeit« – ich zögerte: es war nicht Verführung, es war nicht Einschüchterung, es war nicht Bekehrungseifer, obwohl er diese Fähigkeiten auch alle einsetzen konnte – »zur Dominanz, nicht? Was ist sein Bereich, was ist sein Gebiet?«
    »Über Tupra reden wir morgen, beim Frühstück. Und vielleicht über das mit der Arbeit.« Wheeler war nicht wirklich autoritär, aber dies war ein Ton, der kaum Einwände oder Protest zuließ. »Erzähl mir jetzt mehr über Beryl, über sie zusammen mit Tupra. Los, auf.« Und er beharrte auf dem Gedanken, auf den ich mich konzentrieren sollte: »Alte Flammen, soso …« Old flames, well well … Wir sprachen weiter englisch, und er wies mir den Weg, als wollte er mich bei einem Ratespiel ermutigen (›Heiß, heiß‹). »Repräsentanten ihrer vergangenen Zeiten, sagst du. Ihrer jeweiligen Zeiten.«
    Jetzt war ich völlig sicher, daß Wheeler mich auf die Probe stellte, aber ich hatte keine Ahnung, warum und worin sie bestand, auch nicht, ob ich sie bestehen wollte, was immer es sein mochte. Hat man dieses Gefühl, will man die Prüfung instinktiv bestehen, der Herausforderung wegen, mehr noch, wenn derjenige, der uns sondiert und beurteilt, jemand ist, den wir bewundern. Aber es machte mich argwöhnisch, im dunkeln zu tappen. Es hatte mit Tupra zu tun und mit Beryl, das war offensichtlich, und wahrscheinlich mit dem formlosen oder hypothetischen Angebot einer Arbeit, das er mir beim Abschied gemacht hatte, ich hatte es in erster Linie als Liebenswürdigkeit aufgefaßt oder als abschließenden Versuch, sich Bedeutung zu geben, obwohl diese Eitelkeiten nicht zu Tupra paßten, er schien sie nicht zu benötigen, sie waren eher typisch für einen De la Garza. Im Mund des Attachés Rafita wären es zweifellos leere Worte gewesen, was für ein Einfaltsspinsel, ein Großmaul, eine Null. Ich konnte mir Wheelers undurchschaubare Manöver und Mäander nicht erklären, es sei denn, sie dienten seinem Vergnügen und meiner Verwirrung, mit mir konnte er im Vertrauen sprechen. Ich begriff, daß er es am nächsten Morgen beim Frühstück tun würde, jedes Ding zu seiner auserwählten oder zugestandenen Zeit, er entschied über die Zeit seines Alters, seine abgebröckelte, abnehmende Zeit, aber welche ist das nicht, das letztere. Ich tat ihm also den Gefallen, ich ließ mich hinreißen, obwohl ich in Wirklichkeit nicht mehr viel hinzufügen konnte: ich erfand ein wenig, führte das schon Gesagte weiter und schmückte es aus, ich breitete mich aus, vielleicht erfand ich zuviel. Ich bemerkte, daß Wheelers Socken oder Sportstrümpfe (anfänglich mußten sie ihm bis unter die Knie gereicht haben, wie meine) noch etwas weiter heruntergerutscht waren, von meiner Position aus sah ich schon einen schmalen Streifen gebräunter Haut aufscheinen, ihre Farbe, ihr Teint schienen eher zu einem Südländer zu gehören als zu einem Engländer, jetzt, da ich es mir überlegte. Er hatte seinen Stock mit beiden Fäusten übereinander umklammert, als wäre er wirklich eine Lanze, er hatte die kaum noch rauchende Zigarre auf den Aschenbecher gelegt, wäre nicht sein behaglicher Gesichtsausdruck gewesen, ich hätte geglaubt, er sitze auf glühenden Kohlen, allerdings minderwertiger Art, die ihn niemals stark verbrannt hätten.
    »Na ja, gut, ich weiß nicht, mir schien, daß jeder zu sehr für sich war, dafür, daß sie erst seit kurzem zusammen sind. Es wäre mir nicht weiter

Weitere Kostenlose Bücher